Insel der Verlorenen Roman
erhielt Richard von Mr Benjamin Fisher von der Steuerbehörde eine dringende Vorladung.
»Sie fragen sich vielleicht, warum wir William Thorne noch nicht verhaftet haben«, eröffnete Mr Fisher das Gespräch, als Richard in sein Büro trat. »Bis jetzt haben wir unsere Ermittlungen auf Mr Thomas Cave konzentriert, in der Hoffnung, dass er die Strafe von 1600 Pfund zahlt, mit der die Sache ohne Gerichtsverhandlung beigelegt werden könnte. Inzwischen ist freilich Beweismaterial aufgetaucht, das die Sache in einem etwas anderen Licht erscheinen lässt. Setzen Sie sich, Mr Morgan.« Er räusperte sich. »Ich habe vom Verschwinden Ihres kleinen Sohnes gehört. Mein herzliches Beileid.«
»Danke«, sagte Richard hölzern und setzte sich.
»Mr Morgan, sagen Ihnen die Namen William Insell und Robert Jones etwas?«
»Nein, Sir«, sagte Richard.
»Das ist bedauerlich. Beide Männer arbeiteten zeitgleich mit Ihnen in Caves Brennerei.«
Richard runzelte die Stirn und versuchte sich an die acht oder neun Gesichter zu erinnern, die er in dem düsteren Saal gesehen hatte. Er bedauerte jetzt, sich während Thornes Abwesenheit nicht mit diesen Männern näher bekannt gemacht zu haben. Nein, er hatte keine Ahnung, wer Insell oder Jones waren. »Tut mir Leid, ich erinnere mich nicht an die beiden.«
»Macht nichts. Insell kam gestern zu mir und gestand, er habe einige Dinge verschwiegen, offenbar aus Angst vor Thornes Rache. Etwa zu der Zeit, als Sie die illegalen Fässer entdeckten, hörte Insell eine Unterhaltung zwischen Thorne, Cave und Mr Ceely
Trevillian mit. Die drei sprachen ganz offen über den illegalen Rum. Insell begriff sofort, um was für betrügerische Machenschaften es sich handelte. Ich habe jetzt also vor, sowohl Cave und Trevillian als auch Thorne anzuklagen. Die Steuerbehörde wird sich ihr Geld durch die Pfändung von Caves Besitz sichern.«
In Richard regte sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein Gefühl. Er lehnte sich zurück. »Das sind ausgezeichnete Neuigkeiten, Sir.«
»Tun Sie nichts, bis es zur Verhandlung kommt, Mr Morgan. Wir müssen noch weiter ermitteln, bevor wir die drei festnehmen, aber festnehmen werden wir sie bestimmt.«
Noch zwei Monate zuvor wäre Richard mit dieser Nachricht freudig ins Cooper’s Arms zurückgekehrt. Jetzt hielt die Hochstimmung nicht lange an.
»Ich kann mich nicht an Insell oder Jones erinnern«, sagte er zu seinem Vater. »Wenigstens ist meine Aussage jetzt bestätigt worden.«
Dick zeigte in eine Ecke der Gaststube. »Dort drüben sitzt William Insell. Er kam während deiner Abwesenheit und wollte dich sprechen.«
Ein Blick auf Insells Gesicht half Richards Gedächtnis auf die Sprünge. Insell, ein gutmütiger und tüchtiger junger Bursche, war Thornes bevorzugtes Opfer gewesen. Zweimal hatte er das Tauende zu spüren bekommen. Beide Male hatte er die Prügel weggesteckt, ohne sich zu wehren, was freilich nicht ungewöhnlich war. Wer zurückschlug, verlor seine Arbeit, und in harten Zeiten wie diesen riskierte man so etwas nicht. Richard hätte nicht einmal die Androhung von Prügeln hingenommen, aber er war auch noch nie in eine solche Situation gekommen. Wie sein Sohn hatte er die Gabe, Körperstrafen aus dem Weg zu gehen, ohne sich anbiedern zu müssen. Außerdem war er ein ausgebildeter Handwerker, kein ungelernter Arbeiter. Insell war ein ideales Opfer, der arme Kerl. Es war nicht seine Schuld.
Richard trug zwei halbe Pints Rum zum Tisch in der Ecke und setzte sich. Er trank neuerdings Rum, und zwar von Tag zu Tag mehr.
»Wie geht’s, Willy?« Er schob dem blassen Mr Insell den mit Rum gefüllten Becher hin.
»Ich musste kommen!«, stieß Insell hervor.
»Was ist los?«, fragte Richard. Er trank und wartete darauf, dass die brennende Flüssigkeit seinen Schmerz betäubte.
»Thorne! Er hat herausgefunden, dass ich zum Steueramt gegangen bin.«
»Das überrascht mich nicht, wenn du es allen Leuten erzählst. Jetzt beruhige dich erst mal und nimm einen Schluck.«
Insell trank gierig, dann hustete er und erbrach sich fast, so stark war Dicks bester, unverdünnter Rum, aber er hörte auf zu zittern. Richard füllte ihre Becher wieder auf.
»Ich habe meine Arbeit verloren«, sagte Insell schließlich.
»Warum hast du dann Angst vor Thorne?«
»Thorne ist ein Mörder! Er wird mich suchen und umbringen!«
Richard traute eher Ceely Trevillian einen Mord zu, aber er sagte nichts.
»Wo wohnst du, Willy?«
»In Clifton, am
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