Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
keine Antwort. Sie kletterten die Felsen hinauf, sahen in jede Spalte, hinter jeden Vorsprung, in jede kleine Höhle. Niemand. Das Wasser im Avon fiel, der Fluss verschwand wieder in der Schlucht.
    Dick begleitete Richard, bis die Abenddämmerung hereinbrach. Dann fasste er ihn am Arm. »Es ist Zeit, nach Hause zu gehen«, sagte er. »Morgen früh kommen wir mit mehr Leuten zurück und suchen weiter.«

    »Er ist bestimmt hier, Vater, er ist nicht von hier weggegangen!« Mühsam unterdrückte Richard ein Schluchzen.
    Kein Wort vom Fluss! Bring ihn nicht auf diesen Gedanken! »Wenn er hier ist, dann finden wir ihn morgen früh. Jetzt komm mit nach Hause.«
    Sie kehrten nach Bristol zurück. Keiner der beiden Männer sagte etwas. Richard versank in quälenden Gedanken, Dick war durchgefroren bis auf die Knochen.
    An der Tür des Cooper’s Arms informierte ein Schild darüber, dass das Wirtshaus geschlossen sei. Dennoch saßen drinnen an einem Tisch drei Männer mit gesenkten Köpfen: Vetter James, der Kirchenmann, Vetter James, der Apotheker, und Reverend Prichard. Auf dem Tisch lag umgedreht ein Skizzenblock.
    »William Henry!«, rief Richard angstvoll. »Wo ist William Henry?«
    »Setz dich, Richard«, sagte Vetter James, der Apotheker, der als Familienältester stets auch der Überbringer schlechter Nachrichten war. Vetter James, der Kirchenmann, assistierte ihm dabei, bereit zu übernehmen, sobald die Nachricht ausgesprochen war.
    »Was ist los?«, schrie Richard. »Ich will es wissen.«
    »William Henry hat einen Lateinlehrer namens George Parfrey«, sagte Vetter James ruhig und sah Richard, der wie von Sinnen war, unverwandt an. »Parfrey hat sich heute Nachmittag erschossen. Das hier lag auf seinem Schreibtisch.« Er drehte den Block um.
    Die abgebildete Person war trotz der Blutflecken gut zu erkennen. »Ich bin schuld am Tod von William Henry Morgan.«
    Richards Beine versagten. Er fiel auf die Knie, kreideweiß im Gesicht. »Das ist nicht wahr. Ausgeschlossen!«
    »Es ist wahr, Richard. Der Mann hat sich erschossen.« Vetter James, der Apotheker, kniete sich neben Richard und strich ihm über die Haare.
    »Nein, er hat sich das ausgedacht! Vielleicht ist William Henry fortgelaufen.«
    »Das glaube ich nicht. Parfreys Worte bedeuten, dass er William Henry - getötet hat. Wenn ihr das Kind nicht gefunden habt, dann hat er William Henry vielleicht in den Avon gestoßen.«

    »Nein, nein, nein!« Richard schlug die Hände vors Gesicht und schwankte kniend hin und her.
    »Was sagen Sie denn dazu?«, fragte Dick Mr Prichard heftig.
    Prichard fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wurde grau im Gesicht. »Wir hörten den Schuss und fanden Parfrey in seinem Blut. Die Zeichnung lag neben ihm. Ich ging sofort zu Reverend Morgan«, er zeigte auf Vetter James, den Kirchenmann, »und dann kamen wir hierher. Ich bin - ich weiß nicht - Worte genügen hier nicht…Mr Morgan, wenn Sie wüssten, wie sehr ich dies alles bedaure! Aber Mr Parfrey unterrichtet schon seit zehn Jahren in Colstons Schule. Er machte stets einen anständigen Eindruck, und seine Schüler liebten und verehrten ihn. Was hier vorging, ist mir ein völliges Rätsel.«
    Richard kniete noch immer. Die Stimmen um ihn nahm er wie aus großer Entfernung wahr. Dick berichtete von ihrer Suche in Clifton und im Kurhaus, von dem niedergetrampelten Gras und den verwelkten Gänseblümchen auf dem kleinen Rastplatz in der Nähe des Avon.
    »William Henry muss in den Fluss gefallen und ertrunken sein«, sagte Mr Prichard. »Wir haben schon überlegt, warum Parfrey den Satz so formuliert hat. Der Satz klingt, als ob Parfrey nur Augenzeuge von William Henrys Tod gewesen sei und nicht William Henrys Mörder.«
    »Aber er war schuld daran«, sagte Vetter James, der Kirchenmann, heftiger, als es sich für einen Geistlichen gehörte. »Möge er in der Hölle schmoren!«
    Die Stimmen schwollen an und ab. Mag saß schluchzend in einer Ecke, die Schürze vor dem Gesicht.
    »William Henry ist nicht tot«, sagte Richard schließlich, und es schien, als seien inzwischen Stunden vergangen. »Ich weiß es.«
    »Morgen wird halb Bristol nach ihm suchen, das verspreche ich dir, Richard«, sagte Vetter James, der Apotheker. Er verschwieg, dass man vor allem an den Ufern von Avon und Froom suchen würde. Bei Ebbe wurden dort oft Tierkadaver angeschwemmt, manchmal aber auch die Leiche eines Ertrunkenen, eines Mannes, einer Frau oder eines Kindes.

    Man brachte Richard nach oben,

Weitere Kostenlose Bücher