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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Jakobsbrunnen.«
    »Und was hat Robert Jones mit der Sache zu tun?«
    »Ich erzählte ihm, was ich gehört habe. Mr Fisher vom Steueramt wollte das zwar auch wissen, er meinte aber, ich sei der wichtigere Zeuge.«
    »Das stimmt auch. Weiß Thorne, wo du wohnst?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Weiß es Jones?« Richard erinnerte sich plötzlich wieder an Robert Jones. Jones war ein Duckmäuser, der zu Thorne aufsah. Von ihm hatte Thorne bestimmt alles erfahren.
    »Ich habe es ihm nicht gesagt.«
    »Dann beruhige dich, Willy. Wenn du nichts Besseres zu tun hast, komm tagsüber hierher. Im Cooper’s Arms wird Thorne dich nicht suchen. Nur was du an Rum trinkst, musst du bezahlen.«
    Insell schob den zweiten Becher erschrocken von sich weg. »Dafür auch?«
    »Diese beiden gehen auf meine Kosten. Kopf hoch, Willy. Gauner
wie Thorne sind meiner Erfahrung nach nicht die Hellsten. Hier bist du sicher.«
     
    Die Tage wurden allmählich kürzer und mit ihnen die Zeit, die Richard William Henry täglich suchen konnte. Er begann stets an dem kleinen Rastplatz am Avon. Von dort kletterte er die Felsen hoch und rief William Henrys Namen. Oben angekommen, ging er über Durdham Down zu dem kleinen Park in Clifton. Der Heimweg führte ihn an dem Haus vorbei, in dem William Insell wohnte. Auf dem Fußweg über den Brandon Hill begegnete er dann meist Insell, der stets in Eile war, weil er noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein wollte. Andererseits hatte er Angst, das Cooper’s Arms vor Sonnenuntergang zu verlassen.
    Richard hatte bereits zwei Paar Schuhe durchgelaufen, aber niemand machte ihm deshalb Vorhaltungen. Je mehr er suchte, desto weniger Zeit blieb ihm zum Trinken. Sein Bruder William brauchte plötzlich öfter jemand, der ihm die Sägen einstellte und schärfte - er machte dafür eine neue Holzsorte aus Westindien verantwortlich. Richard musste also auch noch zu ihm marschieren. Aber wer weiß, vielleicht war der kleine William Henry ja bis nach Cuckold’s Pill gekommen, und dann waren die Fußmärsche zu Williams Sägerei nicht ganz umsonst. Und Rum konnte Richard nicht trinken, wenn er eine Säge richtig einstellen wollte.
    Geweint hatte er nicht, er konnte nicht weinen. Mit dem Rum betäubte er seinen Schmerz, den Schmerz der Hoffnung, dass William Henry eines Tages zur Tür hereinkommen könnte, aber auch den Schmerz der Hoffnungslosigkeit.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass es je so weit kommen würde«, sagte Richard Mitte September zu Vetter James, dem Apotheker, »aber langsam wünsche ich mir, ich hätte William Henrys Leiche gefunden. Dann hätte ich keine Hoffnung mehr. Jetzt dagegen muss ich annehmen, dass William Henry irgendwo lebt, und diese Vorstellung ist eine Qual. Wie lebt er denn, wenn er nicht nach Hause kommen kann? Ich leide an beidem, an Hoffnung und an Hoffnungslosigkeit.«
    Vetter James musterte ihn traurig. Richard hatte abgenommen,
doch das Wandern und Klettern hatte seinen schon immer kräftigen Körper noch mehr gestählt. Wie alt war er jetzt? Sechsunddreißig. Die Morgans wurden alt, und wenn Richard seine Leber nicht durch den Rum ruinierte, konnte er neunzig werden. Aber wozu? Ich werde dafür beten, dass er über diesen furchtbaren Schicksalsschlag hinwegkommt. Dass er wieder heiratet und eine neue Familie gründet. »Es ist besser, alles zu wissen, Richard, als nichts zu wissen«, sagte er sanft.
    »Zweieinhalb Monate, Vetter James! Und kein Lebenszeichen von ihm!« Richard erschauerte. »Vielleicht hat das Scheusal seine Leiche versteckt.«
    »Bitte denk nicht daran, mein lieber Junge.«
    »Ich kann nicht anders.«
     
    Am folgenden Tag kam William Insell nicht ins Cooper’s Arms. Dankbar für die Entschuldigung, früher als sonst nach Clifton aufbrechen zu können, setzte Richard den Hut auf und ging zur Tür.
    »Jetzt schon?«, fragte Dick überrascht.
    »Insell ist nicht gekommen, Vater.«
    »Das ist kein Verlust«, brummte Dick. »Ich habe ihn lange genug mit seiner Leidensmiene da in der Ecke sitzen sehen. Er vertreibt mir nur die Kundschaft.«
    »Stimmt«, sagte Richard und grinste halbherzig, »aber ich mache mir Sorgen um ihn. Ich will nachsehen, warum er nicht gekommen ist.«
    Der Fußweg über den Brandon Hill war ihm mittlerweile so vertraut, dass er ihn auch mit verbundenen Augen hätte gehen können. Schon nach einer Viertelstunde stand er vor Insells Haus.
    Auf der Eingangstreppe hockte eine junge Frau. Richard nahm sie nur flüchtig wahr und wollte schon um sie

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