Insel der Versuchung
wilde Schönheit, die ihn anzog.
Caro schien seinem Blick gefolgt zu sein. „Unsere Berge schützen uns vor den trockenen, rauen Winden von Norden und helfen, von Süden heraufziehende Regenwolken zu halten. Die Römer haben Bewässerungssysteme mitgebracht, doch Dürren sind nach wie vor unsere größte Sorge. Es gibt hier einen See am Fuße des Berges im Westen, der einen herrlichen Wasserfall hat. Der Sage nach hat Apollo ihn für Kyrene geschaffen, damit sie dort baden kann. Ich weiß“, fuhr sie fort, als sie sah, wie er den Mund verzog, „du glaubst nicht an Sagen.“
„Deine Insel gleicht einem Paradies“, räumte Max ein.
„Sie ist nicht sonderlich groß. Man kann sie in einer Stunde auf dem Pferd überqueren, und der Länge nach in drei Stunden. Aber sie ist ein besonderer Ort“, erklärte sie mit unverhohlenem Stolz.
Dr. Allenby lebte am Stadtrand in einem kleinen weiß getünchten Haus. Während sie zur Haustür gingen, erklärte Caro: „Das Haus hat nur einen Raum, um kleinere Operationen vorzunehmen und Patienten zu untersuchen, aber eines Tages hoffen wir, ein richtiges Krankenhaus zu bekommen.“
Sie wurden von der spanischen Haushälterin des Doktors begrüßt, die erleichtert schien, Caro zu sehen. „Señorita Evers, es ist gut, dass Sie hier sind. Ich kann mit ihm einfach nichts anfangen. Letzte Nacht hat er nicht geschlafen ... nicht, seit das Baby da ist.“
„Señora Tompkins’ Baby?“
„Nein, Señora Garcias.“
„Ich wusste gar nicht, dass ihre Schwangerschaft schon so weit vorangeschritten war.“
„War sie auch nicht. Aber der Kleine ist zu früh gekommen. Der Doktor ist im Untersuchungszimmer.“
Anscheinend nicht überrascht, Dr. Allenby über seinem Schreibtisch zusammengesunken vorzufinden, schüttelte Caro ihn vorsichtig an der Schulter. Als er aufschreckte, erkannte Max in dem untersetzten, kahlköpfigen Mann den brillanten Arzt wieder, dessen revolutionäre Methoden unzählige Leben gerettet hatten.
„Endlich sind Sie zurück“, sagte Allenby und musterte Caro unter finster zusammengezogenen Brauen.
„Wie Sie sehen.“
Mit einer Hand nach seiner Brille tastend, schaute er zu Max hoch. „Kenne ich Sie?“
„Sie erinnern sich vielleicht an Major Leighton“, antwortete Caro. „Er hat John Yates letzten Sommer nach Hause gebracht.“
Der Doktor knurrte eine Begrüßung und winkte bei Max’ Versuchen, sich für seine Mühen letztes Jahr zu bedanken, ab. Er war jetzt gereizter als während ihres früheren Treffens, entschied Max, aber sein Wortwechsel mit Caro verriet trotzdem gegenseitige Zuneigung.
„Sie müssen besser auf sich aufpassen. Sie haben sich bis zur völligen Erschöpfung verausgabt.“
„Und wessen Schuld ist das? Wenn Sie hier geblieben wären, statt nach England zu segeln ...“
„Das ließ sich nicht vermeiden.“
„Sie waren zu lange fort.“
„Bedauerlicherweise kostet eine solche Reise Zeit.“
„Es wäre nicht nötig gewesen, hätte sich diese verflixte Lady Isabella nicht gefangen nehmen lassen.“
„Sicherlich wollen Sie sie nicht dafür verantwortlich machen“, entgegnete Caro.
„Doch! Sie hätte zu Hause und in Sicherheit bleiben können, statt in der Weltgeschichte herumzugondeln - und das sollten Sie auch. Sie werden hier gebraucht. Ich habe mehrere Operationen aufgeschoben, bis Sie wieder zurück sind... zur Hölle mit meinen Augen.“ Sich die Brille von der Nase nehmend, rieb er sich die geschmähten Organe.
„Meine Sehkraft ist viel besser als seine“, murmelte Caro Max zu, „daher habe ich ein paar seiner Operationen unter seiner Anleitung durchgeführt. “
„Und ich muss Nachschub bestellen“, beschwerte sich der Arzt.
„Das kann warten. Jetzt müssen Sie erst einmal zu Bett gehen und schlafen.“
„Zum Ausruhen habe ich keine Zeit. Ich muss zu meinen Patienten ...“
„Heute werde ich Ihre Krankenbesuche übernehmen. Maria schreibt schon eine Liste mit den Patienten. Nun kommen Sie, ich fahre nicht eher los, bis Sie nicht im Bett liegen.“
Caro fasste den Doktor am Arm und half ihm beim Aufstehen, überredete und drangsalierte ihn wie einen störrischen Patienten, sich auf die Liege im Krankenzimmer zu legen.
Nachdem sie den müden Arzt mit einer Decke zugedeckt hatte, führte Caro Max leise aus dem Raum und nahm von der lächelnden Haushälterin die Liste entgegen, die sie ihr zusammen mit einer schwarzen Tasche reichte. Es schien Max, als sei das eine eingespielte Routine.
„Wenn du
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