Insel der Versuchung
möchtest“, bemerkte Caro, als sie wieder im Gig saßen, „kann ich dich bei Thornes Villa absetzen, ehe ich den ersten Besuch mache.“
„Ich möchte dich begleiten. Vielleicht kann ich mich ja nützlich machen.“
Auf seine schimmernden Stiefel blickend, zog sie belustigt eine Augenbraue hoch. „Ich warne dich, du bist nicht passend angezogen für einige der Häuser, in die wir heute gehen werden. Dein Schuster wäre entsetzt, wenn du deine Stiefel ruinierst, und deinen Kammerdiener hast du nicht mitgebracht.“
„Thornes Diener sind der Aufgabe gewachsen, meine Stiefel gründlich zu putzen“, erwiderte Max ungerührt.
„Na gut. Wie du willst.“
Den größten Teil des restlichen Tages begleitete Max Caro auf ihrer Runde, verfolgte, wie sie Salben, Kräuter und Arznei verordnete und die Entwicklung von Verletzungen und Krankheiten prüfte.
Dr. Allenbys Patienten wohnten über die gesamte Insel verstreut und waren in der Regel spanischer oder englischer Abkunft. Die meisten begrüßten Caro herzlich.
„Sie scheinen dich sehr zu mögen“, bemerkte Max, nachdem sie bei dem ersten halben Dutzend Patienten gewesen waren.
„Dr. Allenby mögen sie noch mehr“, antwortete Caro. „Auf ganz Kyrene ist er beliebt, trotz seiner wenig feinfühligen Art am Krankenbett. Es gibt kaum eine Familie hier, die er nicht behandelt. Aber jetzt wird er alt. Ich weiß nicht, was wir tun werden, wenn er sich nicht mehr um seine Patienten kümmern kann.“
„Können die Leute nicht zu dir gehen?“
„Ich bin nicht richtig ausgebildet und möchte auch nicht den ganzen Tag dieser Tätigkeit nachgehen.“
„Warum nicht?“
„Weil mich die Arbeit für Sir Gawain mehr interessiert.“ „Aber du hast doch offensichtlich eine Begabung zum Heilen.“
„Ja. Und ich hatte immer schon den Wunsch, Geschöpfen, die Schmerzen leiden, zu helfen. Von Kindesbeinen an haben mir die Inselbewohner ihre verletzten oder kranken Tiere gebracht, damit ich mich um sie kümmere. Doch Dr. Allenbys Assistentin zu werden, war viel schwieriger. Selbst jetzt, nach zehn Jahren, vertrauen mir manche von den Männern nicht. Ein paar halten mich sogar für eine Hexe! “
Erstaunt zog Max eine Augenbraue hoch. „Ganz schön abergläubisch, was?“
„Sehr“, entgegnete sie spöttisch. „Während der Hexenverfolgungen wäre ich auf dem Scheiterhaufen gelandet. Aber hier werde ich wenigstens akzeptiert. In England wäre es mir nie gestattet, in irgendeiner Form Medizin zu praktizieren. Gewöhnliche Engländer müssten auf des Todes Schwelle stehen, ehe sie sich von einer Frau behandeln ließen. Lieber ziehen sie die Dienste von Quacksalbern und Scharlatanen vor.“
Der Anflug von Verachtung in ihrer Stimme entging ihm nicht, und er konnte es ihr nachfühlen. Herausfordernd schaut sie ihn an.
„Gib es zu, Max, du selbst hattest letztes Jahr Vorbehalte, als
Dr. Allenby mir die Pflege von John Yates übertrug.“
„Aber du hast mich rasch eines Besseren belehrt“, erwiderte Max, „und dein Geschlecht war nicht länger von Bedeutung. Glaube mir, ich habe genug Männer an leichten Verletzungen sterben sehen, um gute medizinische Versorgung schätzen zu wissen.“
Und er hatte den ganzen Morgen lang beobachtet, wie sie mit schwierigen Patienten fertig wurde. Sie war unerschütterlich freundlich und geduldig und wandte dieselbe Taktik an, mit der sie schon bei dem Doktor und Yates ihren Willen durchgesetzt hatte. Die Inselbewohner achteten sie offensichtlich und bewunderten sie sogar.
Caro mochte die Inselbewohner ebenfalls. Als sie und Max ein einfaches Mittagsmahl bei einer großen Bauernfamilie einnahmen - der einzige Weg für die armen Leute, die medizinische Versorgung ihrer Kinder zu zahlen -, behandelte Caro sie genauso, wie sie reiche Adelige behandelt hätte, wahrscheinlich sogar herzlicher.
Der nächste Patient jedoch empfing sie mit unverhohlener Feindseligkeit - ein bettlägeriger Bauer, der sich bei der Feldarbeit mit dem Pflug in den Fuß geschnitten hatte. Die Wunde hatte sich derart entzündet und schmerzte so sehr, dass er ihn nicht mehr belasten konnte. Er erlaubte Caro nur, die Verletzung zu versorgen und zu verbinden, weil seine Frau neben ihm stand und wüste Drohungen ausstieß, falls er sich nicht zusammenriss.
Caro tat seine Abneigung achselzuckend ab, als sie und Max wieder im Wagen saßen. „Er ist einer von denen, die mich für eine Hexe halten“, scherzte sie.
Dabei ist sie eine Hexe, dachte Max, und
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