Insel der Versuchung
genommen hätte, wenn sie gekonnt hätte. Der Preis, den ein Krieg forderte, war immer schrecklich, aber Max hatte einen weitaus höheren bezahlt als die meisten anderen Soldaten.
Sie streckte die Hand aus und berührte seinen Arm, um ihm Trost zu spenden. „Nach der Nacht, die wir zusammen verbracht haben“, sagte sie leise, „als du Kyrene verlassen hattest, habe ich immer eine Kerze für dich angezündet und für dich gebetet.“
„Deine Gebete müssen geholfen haben“, antwortete er mit gepresster Stimme, „denn ich habe überlebt, während andere starben.“
Sie war nicht so von der Wirksamkeit ihrer Gebete überzeugt, da Max offensichtlich immer noch mit den erfahrenen Schrecken lebte.
Er schlief unruhig. Vor zwei Tagen, als er in der Grotte eingeschlummert war, hatte sie ihn beobachtet, sein schönes Gesicht bewundert, den Kranz seidiger, dunkler Wimpern, den wie gemeißelten Mund... als er sie mit einem plötzlichen Aufschrei erschreckt hatte. Dann hatte er den Kopf hin und her geworfen, am ganzen Körper gezittert, bis sie ihm eine Hand auf die Stirn gelegt und ihn gestreichelt hatte. Augenblicklich war er entspannter geworden, während er ihren Namen murmelte und wieder einschlief.
Sie wusste, dass sie ihn nicht zwingen konnte, über seine Albträume zu reden, auch wenn es ihm helfen würde, zu teilen, was ihn belastete.
Cara erhob sich und nahm den ledernen Weinschlauch, den sie zusammen mit Brot und Käse mitgebracht hatten, suchte sich einen Weg über den Felsrand näher zum Wasserfall. Nicht mehr als einen Fuß neben der Kaskade setzte sie sich auf den nassen Stein und ließ ihre Beine über den Abgrund baumeln. Nach einem tiefen Zug hielt sie ihr Gesicht in die Sonne und wartete, hoffte. Max war wie so viele verwundete Geschöpfe, um die sie sich gekümmert hatte und die gelernt hatten, ihr zu vertrauen. Kurz darauf folgte Max ihr zögernd und setzte sich neben sie. Ein leichter Nebel aus feinsten Wassertropfen hüllte sie ein. Als sie ihm den Schlauch bot, nahm er ihn.
Der Wein war süß und kräftig auf seiner Zunge, der Nebel kühl und die Sonne warm und nährend. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen, das nur von dem melodischen Geräusch des Wasserfalls unterbrochen wurde.
Max schaute auf den saphirblauen See hinaus und war selbst überrascht, als er plötzlich die Worte sprach, die er fünf Jahre lang in sich vergraben hatte.
„Ich habe einen guten Freund im Krieg verloren“, sagte er leise. „Er war wie ein Bruder für mich.“
Caro wandte sich ihm zu, um ihn aus ihren großen grauen Augen anzusehen. Dennoch drängte sie ihn nicht so, wie er es erwartet hätte. „Hast du Brüder? Oder Familie?“
Max war dankbar, dass sie seine tiefste Wunde nicht berührte. „Nur einen älteren Onkel. Meine Eltern sind gestorben, während ich im Krieg war.“
„Das tut mir Leid.“
„Mir auch, obwohl wir uns nicht sehr nahe standen. Und ich habe sie nicht oft gesehen, nachdem ich zur Armee gegangen war. Mein Vater hat diese Entscheidung nie gebilligt.“
„Er wollte nicht, dass du in den Krieg ziehst?“ Sie klang eher neugierig als erstaunt.
„Nein. Er wollte seinen einzigen Sohn nicht verlieren.“ Max schnitt eine Grimasse. „Seiner Ansicht nach wurde von den Söhnen wohlhabender Adeliger nicht erwartet, ihr Blut für England zu vergießen.“
„Warum bist du dann zur Armee gegangen? Sicher musste der Erbe eines Viscounts kein solches Risiko eingehen.“
Bei der Erinnerung an die heftigen Auseinandersetzungen mit seinem Vater begann Max, unruhig hin und her zu rutschen. „Es musste ganz gewiss nicht sein. Aber ich wollte Abenteuer, Ruhm und ein Ziel in meinem Leben. Und Napoleon aufhalten bei seinem wahnsinnigen Versuch, sich Europa zu unterwerfen. Als er England ein zweites Mal zu erobern versuchte, entschied ich, dass es an der Zeit sei, etwas zu unternehmen.“ Und Philip ist mir gefolgt.
Mit plötzlich enger Kehle blickte Max auf den See dicht unter sich, wo der Wasserfall die Oberfläche aufwühlte. Sein Leben war fast so wie der See gewesen, nachdem er England und die Heimat gegen den Wahnsinn des Krieges eingetauscht hatte. „Das Schlimme daran ist, dass mein Freund ohne mich nie in den Krieg gezogen wäre. Und dann, vier Jahre später... fiel Philip. Bei dem Versuch, mir zu helfen.“ Max kniff die Augen zu. „Himmel, ich wünschte, ich wäre es gewesen.“
Caro antwortete leise: „Darum hast du nichts unversucht gelassen, um John Yates zu helfen. Weil
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