Insel der Versuchung
geschaffen?“ erkundigte sich Max träge eines Nachmittags drei Tage später. Sie lagen nackt auf einem Felsvorsprung in der Nähe des Wasserfalles, badeten im Sonnenlicht, Max auf dem Rücken, während Caro auf dem Bauch neben ihm döste, die Wange auf ihren Arm gebettet.
Bei seinem skeptischen Ton lächelte Caro schläfrig. „So heißt es in der Sage. Vermutlich haben Naturkräfte den See geformt. Regenwasser sammelt sich hier in diesem kleinen Tal, zusammen mit dem von mehreren heißen Quellen, die weiter oben in den Bergen entspringen. Unsere beiden Berge waren früher Vulkane und strahlen immer noch Wärme ab - weshalb die Römer beschlossen, die Bäder zu errichten.“
„Die Römer hatten die richtige Idee“, stellte er fest und schloss zufrieden seufzend die Augen. „Aber ich bin froh, dass sie diesen Ort hier nicht verdorben haben.“
Max musste zugeben, dass sie Szenerie einen eigenen Zauber verströmte. Caros Versteck war wunderschön, verschwenderisch und wild, ein wahrlich verführerisches Paradies. Aber es war auch ein Zufluchtsort. Er konnte seine heilende Wirkung spüren, während er dalag und die goldene Wärme in sich aufsog, die seine Seele mit Frieden erfüllte.
Doch Caro selbst hatte sich als noch wirkungsvollerer Balsam erwiesen. Sie hatte die Rastlosigkeit seines Geistes gelindert, wenn auch nicht die seines Körpers.
Im Gegenzug hatte er versucht, ihre Unruhe zu besänftigen. Sie hatten sich hier an der geheimen Grotte an jedem der drei vergangenen Tage getroffen, lange Stunden mit sinnlichen Erkundungen verbracht, dem ungestümen Verlangen einer jungen Affäre nachgegeben. Caro konnte sie nicht uneingeschränkt genießen, obwohl sie sich bemühte, ihre Angst zu bezwingen. Max wusste, dass sie sich immer noch nicht mit dem Aufschub der Rettungsaktion abgefunden hatte.
Er öffnete die Augen und drehte den Kopf, um sie anzusehen. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel und badete Caros Haut in goldenem Licht, so dass sein Verlangen nach ihr wieder erwachte.
Er streckte die Hand aus, um ihr schimmerndes Haar zu berühren.
Plötzlich erklang ein lauter Ruf über das Rauschen des Wassers hinweg, geradewegs aus den Ästen der Eiche, die über den Felsvorsprung ragten. Max fuhr auf, als hätte er einen Pistolenschuss gehört. „Was, zum Teufel...?“
„Es gib keinen Grund zur Sorge“, beruhigte Caro ihn. Sie kniete sich hin und spähte in das Geäst. „Hallo, George.“
Beim flüchtigen Hinsehen erblickte Max ein flauschiges Federknäuel, das beinahe vollständig von den Blättern verborgen war. Dem Aussehen nach zu schließen handelte es sich um eine Eule.
Die Federn aufplusternd, stieß der Vogel erneut den klagenden Ruf aus und stieg auf dem Zweig näher zu Caro.
„Das ist George, eine Zwergohreule“, erklärte sie lächelnd. „Ich habe ihn hier vor zwei Jahren mit einem gebrochenen Flügel gefunden.“
Mit großen Augen musterte die kleine Eule Max feindselig. „Also hast du George wieder gesund gepflegt?“
„Ja, es hat Wochen gedauert. Ich habe ihm den Flügel notdürftig geschient, ihn angebunden und gefüttert, bis er wieder geheilt war. Aber selbst nachdem ich ihm seine Freiheit geschenkt hatte, wollte er hier bleiben. Gewöhnlich kommt er nur nachts. Er muss neugierig auf dich gewesen sein.“ Sie schaute Max an. „Es tut mir Leid, dass er dich erschreckt hat.“
Er fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht. „Laute Geräusche tun das immer noch.“
Caro nickte mitfühlend. „So geht es ganz vielen Soldaten, die aus dem Krieg heimkehren.“ Sie machte eine Pause. „Willst du darüber reden? Man sagt, ich sei eine gute Zuhörerin. Und es heißt auch, wenn man es schafft, sich seinen schlimmsten Erinnerungen zu stellen, dann schafft man fast alles.“
Max durchlief ein Schauer. Wollte er ihr von seinem Albtraum erzählen? Von den Bildern, die ihn immer noch verfolgten? Sein Regiment mitten in der Schlacht, im Angriff auf eine französische Artilleriestellung, sich blindlings durch das Chaos aus Rauch und Blut kämpfend. Der Donner der Kanonen, der Boden, der unter ihm explodierte. Der Schrei seines stürzenden Pferdes. Philip, der seinetwegen umkehrte, ihm die Hand entgegenstreckte, um ihn zu retten ...
„Nein“, sagte er und blickte weg. „Ich möchte darüber nicht sprechen.“
Caros Herz schmerzte bei der Qual, die in seinem Blick aufgeflackert war. Was würde sie darum geben, diese Qual endlich zu lindem, eine Qual, die sie selbst auf sich
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