Insel des Sturms
vollkommen natürlich ihren Platz.
Niemals hätte er sich vorstellen können, dass Jude Frances Murray Tabletts trug oder Wechselgeld herausgab. Natürlich war die Arbeit als Serviererin nicht ihre Bestimmung, doch sie hatte ihre Sache wirklich hervorragend gemeistert. Offenbar betrachtete sie das Ganze als einen Spaß. Ganz sicher hatte sie nicht vor, jeden Abend Bierringe von schmutzigen Tischen zu wischen. Aber sie tat diese Arbeit mit einer solch selbstverständlichen Nonchalance, dass er sie am liebsten dafür geküsst hätte.
Als er dem Verlangen nachgab, ihr die Arme um die Taille legte und sie mit dem Rücken an sich zog, schmiegte sie den Kopf an seine Schulter.
»So mag ich es«, murmelte sie verträumt.
»Ich auch. Obwohl ich dich mit meiner Schmutzarbeit davon abhalte, endlich schlafen zu gehen.«
»Der Job macht mir Spaß. Nun, da alles ruhig ist und sämtliche Gäste nach Hause marschiert sind, kann ich endlich daran denken, was Kathy Duffy zu mir gesagt, welchen Witz Douglas O’Brian erzählt hat, und kann endlich zuhören, wie Shawn drüben in der Küche singt. In Chicago würde ich, nachdem ich irgendwelchen Papierkram erledigt und ein Kapitel eines möglichst anspruchsvollen Buches gelesen hätte, längst im Bett liegen.«
Sie nahm seine Hände und lehnte sich entspannt zurück. »Das hier ist besser!«
»Und wenn du dorthin zurückkehrst…« Er legte eine Wange auf ihr weiches Haar. »Wirst du dann eine Kneipe in der Nähe deiner Wohnung suchen und es dir stattdessen ein oder zwei Abende pro Woche gut gehen lassen?«
Diese Vorstellung senkte sich wie eine dunkle, schwere Wolke auf sie. »Bis es so weit ist, habe ich noch jede Menge Zeit. Im Augenblick lerne ich zu genießen, nicht immer langfristig zu planen, sondern an jedem Tag zu nehmen, was er bringt.«
»Ebenso wie ich jede Nacht.« Er drehte sie zu sich um und glitt mit ihr im Takt von Shawns Gesang in einen unbeschwerten Walzer.
»Auch in jeder Nacht. Ich bin eine schreckliche Tänzerin.«
»Das bist du ganz und gar nicht.« Sie war ein allzu zögerlicher Mensch, lange noch nicht selbstbewusst genug. »Ich habe dich beobachtet, als du mit Shawn getanzt und ihn dann noch vor den Augen Gottes und der ganzen Welt geküsst hast.«
»Er meinte, du würdest vor Eifersucht ganz sicher auf der Stelle platzen.«
»Das hätte ich eindeutig auch getan, wenn ich nicht genau wüsste, dass ich ihn, falls nötig, im Nu windelweich hauen könnte.«
Sie lachte, betört von dem Schwindel, der sie bei ihrem Tanz befiel. »Ich habe ihn geküsst, weil er attraktiv ist und weil er mich darum gebeten hat. Dich würde ich vielleicht auch küssen, wenn du mich artig darum bitten würdest …«
»Wenn du mit deinen Küssen schon derart freigebig bist, dann lass mich ruhig auch einen haben.«
Scherzhaft – war es nicht herrlich zu entdecken, dass man mit einem Mann herumalbern konnte? – küsste sie ihn erst auf die eine und dann auf die andere Wange. Als er vor lauter Verliebtheit schielte und sie erneut im Kreis schwang, schob sie ihre Hand von seiner Schulter hinauf in sein Haar, stellte sich auf Zehenspitzen und presste ihre Lippen zärtlich auf seine.
Dieses Mal war er es, der sich anspannte. Sie war die Herrin dieses Kusses, hatte ihn überfallen, brachte sein Blut zum Kochen und ließ seine Knie weich wie Pudding werden durch ihren leisen Seufzer, der ihren köstlichen Geschmack auf seine Zunge, in seine Adern und sein Gemüt übertrug.
Er ballte seine Hand in ihrem Rücken und ließ sich gerne von ihr betäuben.
»Anscheinend ist es für mich allerhöchste Zeit zu gehen.«
Aidan hob den Kopf und sagte, ohne Judes Gesicht auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen: »Schließ, wenn du gehst, hinter dir ab.«
»Mache ich. Gute Nacht, Jude!«
»Gute Nacht, Shawn!«
Fröhlich pfeifend schloss er hinter sich die Tür, während Aidan und Jude in der Mitte des frisch gefegten Pubs standen und einander reglos ansahen.
»Ich verspüre ein unwiderstehliches Verlangen nach dir.« Er hob ihre Hand an seine Lippen.
»Worüber ich mehr als glücklich bin.«
»Mein Verlangen macht es mir manchmal schwer, mit Einfühlung zärtlich und langsam vorzugehen.«
»Musst du ja nicht.« Heiße Erregung wallte in ihr auf – mit ungeahnter Kühnheit trat sie einen Schritt zurück und knöpfte sich die Bluse auf. »Du kannst sein, wie du willst. Und nimm, was du willst!«
Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich vor den Augen eines Mannes
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