Insel des Sturms
ihr nie so wehtun werde wie dieser andere Halunke.«
»Wäre es nicht besser, Aidan, wenn sie darauf vertrauen könnte, dass du sie in einer Weise liebst, in der sie nie zuvor geliebt wurde?«
Aidan öffnete den Mund und klappte ihn verwundert wieder zu. »Seit wann bist du so clever?«
»Ich habe nicht umsonst beinahe dreißig Jahre lang die Menschen beobachtet und die Situation, in der du dich befindest,
gemieden wie die Pest. Wahrscheinlich hat sie bisher die ihr zustehende Liebe und den ihr zustehenden Respekt von niemandem bekommen. Doch sie braucht sowohl wahre Liebe als auch ehrlichen Respekt!«
»Beides empfinde ich für sie.«
»Das weiß ich.« Shawn drückte dem Bruder mitfühlend den Arm. »Aber sie weiß es noch nicht. Es ist allerhöchste Zeit, dass du dich überwindest und ihr deine Gefühle offenbarst. Klar, das ist nicht leicht. Doch davon hat sie ebenfalls eine Ahnung.«
»Du meinst also, dass ich vor ihr auf die Knie gehen soll?«
Shawn blickte ihn grinsend an. »Deine Kniescheiben werden es mit Hilfe der Himmlischen überleben.«
»Das denke ich auch. Das Ganze kann unmöglich schmerzhafter sein als eine gebrochene Nase.«
»Willst du sie wirklich?«
»Mehr als alles andere.«
»Wenn du ihr nicht genau das sagst, wenn du ihr nicht dein Herz zu Füßen legst, Aidan, wenn du nicht deine Seele vor ihr bloßlegst und ihr die Zeit gibst, zu dem, was sie dort sieht, auch Vertrauen zu fassen, dann wirst du sie nicht bekommen.«
»Vielleicht weist sie mich wieder ab.«
»Das könnte durchaus sein.« Shawn erhob sich und legte eine Hand auf Aidans Schulter. »Es ist ein Risiko. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass du je vor einem Risiko gekniffen hättest.«
»Dann tue ich es jetzt zum ersten Mal.« Aidan umfasste die Hand des kleinen Bruders. »Ich bin außer mir vor Angst.« Leicht zittrig stand er auf. »Falls du hier noch eine Zeit lang ohne mich zurechtkommst, würde ich gern etwas spazieren gehen, um den Kopf frei zu bekommen, bevor ich zu ihr gehe.« Dann betastete er vorsichtig seine geschwollene Nase. »Wie schlimm sieht es aus?«
»Oh«, erklärte Shawn mit diebischem Vergnügen. »Ziemlich grausig. Und ich bin sicher, dass es noch viel, viel schlimmer werden wird!«
Ihre Hand tat höllisch weh. Wenn sie nicht derart mit Fluchen beschäftigt gewesen wäre, hätte sie sich bestimmt große Sorgen gemacht. Aber da sie die Faust immer noch ballen konnte, war sie wohl nur verstaucht von dem Zusammenprall mit dem Betonblock, der aus Aidan Gallaghers meist so freundlicher Miene ragte.
Als Allererstes griff sie zum Telefonhörer und änderte den reservierten Flug. Sie flöge nicht erst in einem Monat, sondern gleich am nächsten Tag. Nicht, dass Aidan sie vertrieb – o nein, ganz sicher nicht! Sie wollte ganz einfach schnellstmöglich nach Chicago gelangen und persönlich rasch und effizient ihre Angelegenheiten regeln, ehe sie zurückkam.
Dann würde sie sich im Faerie Hill Cottage dauerhaft einrichten und dort ein langes, glückliches Leben führen, indem sie tat, was ihr gefiel, wann es ihr gefiel und mit wem es ihr gefiel. Der Einzige, der auf ihrer Liste der noch zu erfüllenden Wünsche fehlte, wäre Aidan Gallagher.
Sie rief Mollie an und bat sie, den Welpen in der Zwischenzeit zu übernehmen.
Da sie ihn jetzt schon vermisste und Schuldgefühle hegte, weil sie ihn so unvermittelt verließ, nahm sie ihn auf den Arm und vergrub das Gesicht in seinem Fell.
»Bei den O’Tooles wird es dir sicher mehr als gut gefallen. Wart’s nur ab. Und außerdem bin ich zurück, ehe du überhaupt bemerkt hast, dass ich fortgeflogen bin. Ich bringe dir was Schönes aus Chicago mit!« Sie küsste ihn auf sein rundes Schnäuzchen.
Da sie nicht in Stimmung war für die Arbeit an dem Buch, ging sie nach oben, packen. Sie würde nicht viel brauchen. Selbst wenn es ein oder zwei Wochen dauerte, um alles zu
regeln, hätte sie noch genügend Kleider in Chicago. Sie würde sich also mit dem Laptop und dem Handgepäck begnügen und sich vorkommen wie eine wahre Frau von Welt!
Sobald sie erst im Flieger säße, würde sie sich, ein Glas Champagner in Händen, entspannt zurücklehnen und eine Liste all dessen, was sie tun müsste, anfertigen.
Sie würde ihre Oma überreden, mit ihr zurückzukommen und den Rest des Sommers bei ihr in Irland zu verbringen. Vielleicht könnte sie sogar ihre Eltern zu einem Besuch bei ihr bewegen, damit sie sahen, wie glücklich sie hier war.
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