Insel des Sturms
sein.
Aidan atmete tief ein und umrundete dann tapfer die Mauern.
Sie sang ein leises Lied. In den Monaten, seit er ihr zum ersten Mal begegnet war, hatte er sie nie singen gehört. Und
obgleich sie behauptete, immer nur zu singen, wenn sie nervös war, klang ihr Geträller nicht so.
Offenbar sang sie für ihre Blumen, und der Gedanke rührte an sein Herz. Sie hatte eine süße, wenn auch zögerliche Stimme, was ihm zeigte, dass sie ihr nicht traute – selbst wenn sie vermeintlich vollkommen alleine war.
Jude bot einen hübschen Anblick inmitten ihrer Blumen, und sie sang mit ruhiger Stimme davon, dass sie allein in einem Festsaal saß. Ihr Strohhut hing ihr ins Gesicht, und der wackere Welpe hatte sich zum Schlafen neben sie gerollt.
Die dunklen Wolken und das Donnergrollen schien sie gar nicht zu bemerken. Sie war ein gelassener, heller Fleck inmitten einer zauberhaften, kleinen Welt, und bestände nicht seine Liebe bereits seit Monaten, so wäre es in diesem Augenblick um ihn geschehen. Auch wenn er nicht wusste, wie er sich selbst oder ihr erklären sollte, aus welchem Grund genau.
Sein Herz gehörte einfach ihr. Er wusste, der nächste Schritt in ihre Richtung war das größte Risiko, das ein Mann je auf sich genommen hatte.
Trotzdem trat er vor und rief leise ihren Namen.
Ihr Kopf peitschte herum, und sie blickte ihn an. Es tat ihm Leid zu sehen, dass ihr eben noch weicher, zufriedener Gesichtsausdruck plötzlich kaltem, hartem Ärger wich. Auch wenn es ihn nicht vollkommen unerwartet traf.
»Ich habe dir nichts mehr zu sagen.«
»Das weiß ich.«
Finn klappte die Augen auf und rappelte sich fröhlich bellend auf. Das war es, was er von ihr erwartet hatte, erkannte er mit einem Mal. Dass sie sich immer freuen würde, ihn zu sehen, dass sie ihm stets strahlend entgegenkam …
War es vielleicht ein Wunder, dass sie ihm einen Hieb verpasst hatte, nachdem sie von ihm wie ein Haustier behandelt worden war?
»Aber ich habe dir ein paar Dinge zu sagen. Als Erstes, dass mir wirklich Leid tut, was geschehen ist.«
Das brachte sie aus dem Gleichgewicht, wenn auch nicht genug, sie sofort umschwenken zu lassen. Sie mochte Jahre gebraucht haben, um zu lernen, ihr Rückgrat zu gebrauchen – doch sie hatte es gelernt. »Fein. Dann entschuldige ich mich bei dir für den Faustschlag, den ich dir versetzt habe!«
Seine Nase war geschwollen, und unter seinen Augen sah sie violette Ringe. War das wirklich sie gewesen? Sie war gleichermaßen entgeistert wie schändlich stolz auf diese Tat.
»Du hast mir die Nase gebrochen.«
»Ach ja?« Schockiert tat sie einen Schritt auf ihn zu, ehe sie sich abermals zum Stehenbleiben zwang. »Tja, du hattest es verdient.«
»Mag sein!« Er versuchte es mit einem Lächeln. »Sicher werden die Leute noch jahrelang über dich reden.«
Da sie merkte, dass irgendeine dunkle Stelle tief in ihrem Inneren ein wonniges Vergnügen bei der Vorstellung empfand, sprach sie in möglichst zurückhaltendem Ton. »Ich bin sicher, dass die Leute schon bald einen interessanteren Gesprächsstoff finden. So, falls das alles ist, musst du mich jetzt bitte entschuldigen. Ich möchte meine Arbeit hier noch fertig machen, und dann habe ich eine ganze Reihe weiterer Dinge zu erledigen, bevor ich morgen abreise.«
»Bevor du morgen abreist?« Seine Stimme wurde panisch. »Wo willst du denn hin?«
»Morgen früh fliege ich zurück nach Chicago.«
»Jude!« Er machte einen Ausfallschritt, blieb, von dem Blitzen ihrer Augen gewarnt, jedoch lieber in sicherer Entfernung. Am liebsten wäre er vor ihr auf die Knie gesunken, hätte sie angefleht zu bleiben – und war sich sicher, dass es auch noch dazu kommen würde. »Dein Entschluss steht unumstößlich fest?«
»Ja. Ich habe bereits alles arrangiert.«
Er wandte sich langsam von ihr ab und blickte, um sich zu sammeln, über die Hügel hinüber zu Dorf und Meer. In Richtung seines Heims. »Würdest du mir sagen, ob du meinetwegen gehst oder deshalb, weil es das ist, was du willst?«
»Es ist das, was ich will. Ich …«
»Also gut dann!« Shawn hatte gesagt, er müsste vor ihr niederfallen, und genau das würde er jetzt tun. Er drehte sich langsam wieder um und ging, wenn auch zögernd, auf sie zu. »Ich habe dir noch vieles zu sagen, und ich möchte dich bitten, mich zumindest anzuhören.«
»Also.«
»Ich fange ja gleich an«, zischte er beinahe erbost. »Du könntest einem Mann wenigstens eine Sekunde Zeit lassen, um sich zu sammeln,
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