Insel des Sturms
werden.
Lächelnd hielt sie inne. Natürlich war dies ein viel zu lyrischer und, nun, irischer Anfang für einen seriösen, akademischen Aufsatz. Während ihres ersten Jahres am College hatten ihre Lehrer sie genau dafür oft genug gerügt. Sie hatten behauptet, sie weiche allzu häufig vom eigentlichen Thema ab, hielte sich zu selten an die wissenschaftlichen Vorgaben.
Da ihren Eltern gute Noten immens wichtig waren, hatte sie schließlich ihren Wunsch nach farbenfrohen Abschweifungen drastisch unterdrückt.
Doch hier ging es nicht um eine Note, dies war nur ein Entwurf. Sie könnte ihn später noch verändern. Im Augenblick jedoch würde sie einfach ihre Gedanken zu Papier bringen und den Grundstein ihrer Analyse legen.
Die Geschichten ihrer Oma kannte sie gut genug, um kurz die bekanntesten mythologischen Sagengestalten zu skizzieren. Es wäre ihre Aufgabe, die Geschichten und Strukturen aufzudecken, die es in Verbindung mit den einzelnen Figuren gab, und dann ihre Bedeutung in der Psychologie moderner Menschen zu ergründen, die an diese Legenden glaubten oder sie zumindest wertschätzten.
Den ganzen Vormittag hindurch arbeitete sie an grundlegenden
Definitionen, wobei sie häufig Vergleiche zwischen einzelnen Figuren und ihren Pendants in anderen Kulturen zog.
Jude war derart in ihre Tätigkeit vertieft, dass sie beinahe das Klopfen an der Haustür überhörte; als sie es endlich wahrnahm, riss sie sich blinzelnd von ihren Erörterungen der Hexe, der früher in fast sämtlichen Dörfern Irlands anzutreffenden weisen Frau, los. Sie hängte ihre Brille in den Ausschnitt ihres Pullovers, eilte die Treppe hinunter, öffnete die Tür und entdeckte Brenna O’Toole bereits auf dem Rückweg zu ihrem alten Pick-up.
»Tut mir Leid, wenn ich störe«, setzte Brenna zögernd an.
»Tun Sie nicht!« Wie konnte eine junge Frau in schlammbespritzten Arbeitsstiefeln sie nur derart einschüchtern, fragte sich Jude verblüfft. »Ich war gerade in dem kleinen Zimmer oben. Schön, dass Sie vorbeigekommen sind. Vorgestern habe ich mich gar nicht richtig bei Ihnen für alles bedankt.«
»Oh, kein Problem! Schließlich sind Sie beinahe im Stehen eingeschlafen.« Brenna kam zurück zum Hauseingang. »Dann haben Sie sich also schon ein wenig eingelebt? Ist alles da, was Sie brauchen?«
»Ja, danke.« Jude bemerkte, dass an der verblichenen Kappe, die Brenna auf dem Kopf trug, eine kleine Figur mit Flügeln steckte. Schon wieder eine Fee. Jude würde gerne erfahren, warum eine derart praktisch veranlagte Person ausgerechnet eine Fee als Glücksbringer trug.
»Möchten Sie vielleicht hereinkommen und einen Tee mit mir trinken?«
»Danke, das wäre wirklich nett, aber ich habe noch zu tun.« Trotzdem schien Brenna Zeit genug zu haben zu einem kurzen Plausch. »Ich wollte nur rasch hereinschauen, um zu sehen, wie Sie zurechtkommen oder ob Sie vielleicht etwas brauchen. Ein-, zweimal am Tag fahre ich nämlich an Ihrem Haus vorbei.«
»Im Augenblick fällt mir nichts ein. Tja, doch, ich frage mich, ob Sie mir vielleicht sagen können, an wen ich mich wegen eines zweiten Telefonanschlusses in dem kleinen Zimmer oben wenden muss. Ich benutze es nämlich zum Arbeiten und bräuchte den Anschluss für mein Modem.«
»Für Ihr Modem? Für Ihren Computer?« In Brennas Augen trat ein interessiertes Blitzen. »Meine Schwester Mary Kate hat einen Computer, weil eins ihrer Fächer in der Schule Programmieren ist. Man könnte beinahe denken, mit dem Ding hätte sie das Allheilmittel gegen die menschliche Dummheit entdeckt, denn sie lässt mich nie auch nur in seine Nähe.«
»Interessieren Sie sich für Computer?«
»Ich weiß immer gerne, wie die Dinge funktionieren, und sie hat Angst, dass ich den Kasten auseinander nehme – was ich natürlich auch tun würde, denn wie sollte ich sonst dahinter kommen, wie die Sache läuft? Sie hat auch ein Modem und schickt ständig irgendwelche Nachrichten an unsere Verwandten in New York und an irgendwelche Freunde in Galway. Das Ganze ist wirklich genial.«
»Finde ich auch! Dabei nehmen wir all diese Dinge als gegeben hin, bis sie einmal nicht mehr funktionieren.«
»Ich leite Ihren Auftrag gerne weiter.« Brenna sah sie lächelnd an. »Versprechen kann ich nicht, wann Sie dann Ihren Anschluss kriegen – aber ich glaube kaum, dass es länger dauern wird als eine Woche. Falls doch, finde ich ganz sicher einen Weg, Ihnen anders behilflich zu sein.«
»Das ist prima. Vielen Dank. Oh,
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