Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
Vom Netzwerk:
Jahr angelaufen war, hatte ihn nicht besonders überrascht.
    Sein Vater hatte den Bruder stets schmerzlich vermisst und seine Mutter noch nie gern allzu lang an einem Ort gelebt. Natürlich kämen sie zurück, vielleicht nicht, um hier wieder Fuß zu fassen – aber um Freunde zu besuchen und die Kinder zu umarmen. Gallagher’s Pub jedoch war wieder einmal von dem Vater auf den Sohn übergegangen.
    Da der Pub sein Erbe war, würde er ihn nach besten Kräften leiten.
    Darcy würde natürlich nicht für alle Zeiten als Bedienung und in der Küche für ihn arbeiten, das stand fest. Sie hortete ihr Geld wie ein Eichhörnchen die Nüsse vor dem Winter. Und wenn sie genug gespart hätte, ginge sie ganz sicher fort.
    Shawn war im Augenblick mit seiner Arbeit in der Küche, mit seinen Träumen und seinem Erfolg bei den Frauen des Dorfes zufrieden. Doch eines Tages stolperte er sicher über den für ihn richtigen Traum, über die für ihn richtige Frau, und dann ginge auch er.
    Wenn Aidan also die Tradition des Pubs aufrechterhalten wollte, müsste er ebenfalls die richtige Frau zu finden und einen Sohn zeugen – oder eine Tochter; in diesem Punkt war er der Tradition nicht so verhaftet, als dass er das, was er besaß, nicht auch an eine Tochter übergäbe.
    Doch das hatte zum Glück noch Zeit. Schließlich war er erst einunddreißig Jahre alt, und er hatte nicht die Absicht, allein aus Pflichtgefühl zu heiraten. Es müsste schon aus
Liebe sein, aus Leidenschaft, aus dem Gleichklang zweier Seelen.
    Während seiner Wanderschaft hatte er gelernt zu erkennen, womit sich ein Mann begnügen konnte. War die Alternative der blanke Fußboden, reichte einem eine durchgelegene Matratze. Doch eine Frau, die einen langweilte oder das Blut beim besten Willen nicht in Wallung brachte, reichte, egal, wie gut sie auch aussah, als Ehefrau entschieden nicht.
    Während er dies dachte, drehte er sich um und blickte über die sanft ansteigenden Hügel in Richtung des weißen Häuschens, das unter dem Sternenhimmel leuchtete. Eine dünne Rauchfahne stieg aus dem Kamin, und hinter einem der winzigen Fenster brannte ein heimeliges Licht.
    Jude Frances Murray, dachte er und sah sie wieder vor sich. Was machst du in deinem kleinen Haus dort oben auf dem Feenhügel? Liest du vielleicht ein schwieriges Buch, eins mit viel Gewicht und tief schürfenden Botschaften? Oder tauchst du eher ein in eine lustige, närrische Geschichte, wenn dich niemand sieht?
    Es war ihr Image, das sie ständig beschäftigte. So viel hatte er innerhalb der knappen Stunde, die sie auf einem der Barhocker des Gallagher’s verbracht hatte, herausgefunden. Was dachten die Leute? Welchen Eindruck gewannen sie, wenn sie sie anblickten?
    Und während sie das abwog, sog sie alles in sich auf, was um sie herum zu sehen oder zu hören war. Er bezweifelte, dass sie sich dessen überhaupt bewusst war, doch er hatte es ihren Blicken entnommen.
    Am besten ließe er sich Zeit mit seiner Meinung über sie.
    Mit ihren großen Augen einer Meeresgöttin und dem streng zurückgekämmten Haar hatte sie sein Blut in Wallung gebracht. Er mochte ihre Stimme, die klare Präzision, mit der sie sprach, die einen so faszinierenden Kontrast zu ihrer Schüchternheit darstellte.

    Was würde sie tun, die hübsche Jude, wenn er jetzt zu ihr hinüberginge und an ihre Tür klopfte?
    Doch es machte keinen Sinn, sie zu Tode zu erschrecken, nur weil er nicht schlafen konnte und etwas an ihr sein Begehren weckte, dachte er und schob, während der Wind ihn umwirbelte, die Hände in die Taschen seiner Jeans.
    »Dann schlaf ganz einfach gut«, murmelte er. »Eines Nachts, wenn ich wieder spazieren gehe, werde ich nicht zu den Klippen, sondern hinauf zu deinem Cottage kommen. Und dann werden wir ja sehen, was passiert.«
    Ein Schatten bewegte sich hinter dem Fenster, der Vorhang wurde angehoben und dort stand sie, beinahe, als hätte sie Aidan gehört. Doch er war zu weit von ihr entfernt, um mehr als ihre Umrisse wahrzunehmen.
    Vielleicht sah sie ihn ja auch, ebenfalls nur als Schatten – aber auf den hohen Klippen oberhalb der rauen See.
    Dann ließ sie den Vorhang wieder sinken und löschte kurz darauf das Licht.

4
    Zuverlässigkeit begann mit Verantwortungsbewusstein, hielt Jude sich nüchtern vor. Und beide wurzelten in Disziplin. Diese kurzen, mahnenden Sätze im Kopf, erhob sie sich am nächsten Morgen aus ihrem weichen Bett und machte sich ein einfaches Frühstück, ehe sie mit einer Kanne Tee hinauf

Weitere Kostenlose Bücher