Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
Kaffee.
„Wird das hier ein Streit?“, fragte sie interessiert. „Ist der Tag denn lang genug, um alles auf den Tisch zu bringen?“
„Es geht nur um den Anstand, genug Kaffee zu kochen, damit es auch für mich noch reicht.“
„Und es wäre nur ein Zeichen von Anstand, ab und an mal rechtzeitig zum Abendessen zu Hause zu sein oder eine freundliche Unterhaltung über die Kinder oder das Wetter zu führen.“
Er antwortete nicht. Sie hörte, wie er an der Anrichte stand und Schränke öffnete und wieder schloss, um die Filter und den Kaffee zu holen. Sie hörte, wie er die Kanne ausspülte und mit frischem Wasser füllte. Sie sah nicht von ihrer Zeitschrift auf. Nicht einmal, als er überraschenderweise ihr gegenüber am Tisch Platz nahm.
„Also, worüber möchtest du sprechen?“, fragte er.
Sie blickte auf. „Ist mir egal.“
„Gut. Wie gefällt dir Palmetto Grove so?“
„Tja, ich habe mich inzwischen dran gewöhnt, in diesem Haus zu leben, falls du das meinst. Es sind auch einige Reparaturen erledigt worden, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest.“
„Genau, ich kann jetzt pinkeln, ohne von oben Wassertropfen abzubekommen.“
„Und wir haben einen neuen gebrauchten Herd.“
„Hast du ihn schon ausprobiert?“
„Ein paar Mal.“ Sie schlug das Magazin zu. „Ich und die anderen Frauen aus der Nachbarschaft haben versucht, die Familie von Herb Krause ausfindig zu machen.“
„Aus welchem Grund?“
„Tracy … Ms Deloche hat all seine persönlichen Sachen und kann sie niemandem übergeben.“
„Sie sollte sie vielleicht an die Straße stellen und einfach sagen, dass sie nicht wusste, wohin damit, falls seine Familie jemals hier auftauchen sollte.“
„Vielleicht. Aber sie ist noch nicht so weit. Wir alle sind es noch nicht.“
„Warum kümmert es euch so?“
„Weil er ein einsamer alter Mann war und wir nicht viel für ihn getan haben, als er noch lebte.“
Ken erwiderte ihren Blick. „Dein weiches Herz bringt dich immer wieder in Schwierigkeiten.“
„Es ist hart wie Stein.“ Sie lehnte sich ein bisschen vor. „Bist du bereit, uns zu helfen, wenn wir dich brauchen?“
„Ich? Was könnte ich schon tun?“
„Du hast Zugang zu Daten und Akten. Das weißt du auch.“
„Du willst, dass ich nachsehe, ob Herb ein Krimineller war? Ein Terrorist?“
„Eher mal betrunken am Steuer erwischt worden oder so. Dann gibt es möglicherweise einen Akteneintrag, über den wir seine Familie finden können, Kenny. Um Himmels willen, ist das denn zu viel verlangt?“
Die Kaffeemaschine schnaufte laut. Es klang beinahe wie eine Herausforderung, das Gebräu zu trinken, das sie produziert hatte. Ken nahm die Herausforderung an und hielt dann fragend die Kanne in die Höhe. Sie bemerkte, dass er mehr Kaffee als nötig gemacht hatte, und ein kleiner Teil von ihr war beschämt – aber nur ein bisschen.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein danke. Wirst du nun helfen, Kenny, oder nicht?“
„Sagt einfach Bescheid, was ihr braucht. Ich werde tun, was ich kann.“
Ihr fielen Hunderte von Sachen ein, die sie dringender von ihm brauchte, aber sie hütete sich davor, zu viel zu riskieren. Um sie herum war schon genug zerstört.
Sie erhob sich. „Ich werde jetzt duschen. Vielleicht wird der Boiler ja mal repariert, und ich muss mir nicht jeden Morgen den Hintern abfrieren.“
„Ich habe den ganzen Tag zu tun. Vermutlich bin ich schon weg, wenn du fertig bist.“
„Dann sehen wir uns irgendwann.“
Er sah aus, als wollte er noch etwas sagen, doch sie war schon auf dem Weg ins Badezimmer. Sie war nicht dumm. Eine Frau wusste, dass sie nehmen musste, was sie kriegen konnte. Nur so hatten die Weibchen der Gattung überlebt. Und sie hatte vor, sehr lange zu überleben. Auch wenn sie heutzutage schon Kuchen zum Frühstück aß.
Das Team-Meeting am Freitag war besser verlaufen, als sie gedacht hätte. Natürlich waren Tracys Erwartungen so gering gewesen wie ihre Meinung über Wild Florida, aber in Anbetracht dessen konnte sie sich nicht beklagen. Ihre Vorgängerin hatte fähige, größtenteils sympathische Lehrer und Gruppenleiter eingestellt, und viele von ihnen hatten den Job schon vorher gemacht. Die erfahrenen Mitarbeiter hatten ihr erklärt, welche Kinder ein bisschen mehr Aufmerksamkeit brauchten und welchen man durchaus mal Aufgaben übertragen konnte. Sie hatten positiv auf ihre Absichten und Pläne reagiert, hatten ihre Vorschläge aufgenommen und ihre eigenen gemacht.
Ihr
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