Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
einsehen wirst, dass ich recht habe, wenn du darüber nachdenkst. Ich will dich nicht wütend machen oder die Arbeit im Freizeitzentrum beeinträchtigen. Ich bin nicht einmal böse, denn ich habe gesehen, dass du geglaubt hast, das Richtige zu tun. Trotzdem muss ich mich um Alice kümmern.“
„Dann lass sie wenigstens noch den heutigen Kurs zu Ende bringen. Zerr sie nicht aus der Klasse und bring sie in Verlegenheit.“
„Sie? Oder doch eher dich?“
„Das ist nicht fair.“ Sie wartete. Sie wusste nicht, ob das meiste von dem, was Lee gesagt hatte, so stimmte. Aber eines stimmte ganz sicher nicht, dass er nicht böse war, denn er war böse. Er verbarg es jetzt etwas besser, doch sie konnte es noch immer in seinen Augen und an der Art erkennen, wie er die Lippen aufeinanderpresste.
Schließlich zuckte er die Schultern. „Gut. Aber morgen wird sie nicht mehr wiederkommen.“
„Wenn du dich mit Alice darüber unterhältst und sie nicht mehr kommen möchte, dann werde ich das verstehen.“
„Bitte, macht nichts mehr heimlich hinter meinem Rücken. Dann kann ich sie nicht mehr allein lassen.“
„Aber das tust du doch“, versetzte sie nachdrücklicher, als sie es vorgehabt hatte. „Manchmal. Und sie scheint damit gut zurechtzukommen.“
„Wirf mir nicht vor, ich würde sie vernachlässigen. Ich versuche, den Lebensunterhalt für meine Familie zu verdienen.“
Sie wandte den Blick ab und bemühte sich, ihren Zorn zu zügeln. Sie starrte auf den Parkplatz, als ihr bewusst wurde, dass ihr Blick auf Lees neuen Wagen fiel. Er wirkte wie ein silberner Schwan in einem Teich mit quakenden Enten. Das Wunschkennzeichen verriet alles. MAKLEER. Makler mit seinem Namen in der Mitte.
„Netter Geländewagen“, sagte sie. „Mir haben Infinitis immer gut gefallen.“
„Ich brauchte einen größeren Wagen, um Kunden zu befördern und die Schilder zu transportieren.“
„Tja, das wird sie beeindrucken.“
„Darauf setze ich.“
Und er hatte sicherlich auch eine Menge Geld dafür eingesetzt. Vermutlich war er bei der Bank gewesen, um einen Kredit aufzunehmen oder sein Sparkonto zu plündern. Sie kannte sich ein wenig mit Autos aus, und sie schätzte, dass dieses Modell mindestens fünfzigtausend Dollar gekostet hatte. Ihr fiel Alice wieder ein, die ihn um Geld hatte anbetteln müssen, um sich beim Ausverkauf ein paar neue Kleidungsstücke zu kaufen. Zum ersten Mal fragte sich, ob Janyas Argwohn gegenüber Lee vielleicht doch begründet sein könnte.
Sie versuchte, diesen Gedanken beiseitezuschieben. Falls Lee tatsächlich eine harte Zeit durchmachte, wäre es ungerecht, sich gegen ihn zu stellen, während er darum kämpfte, seiner Schwiegermutter zu helfen und sie zu unterstützen. Trotzdem – das Misstrauen hatte die anfängliche Anziehung, die sie für ihn empfunden hatte, vollkommen in den Schatten gestellt. Misstrauen und der Gedanke an einen anderen Mann.
Der Gegensatz zwischen Lee und Marsh war riesig, doch die beiden hatten auch etwas gemeinsam. Sie.
Aber wenn Tracy halbwegs vernünftig war, lief sie genau jetzt weg und sah sich nicht mehr um, ob einer von beiden sie eventuell einzuholen versuchte.
Nachdem sie den anderen Frauen so viel über ihre Vergangenheit erzählt hatte, hatte Janya eigentlich erwartet, sich niedergeschlagen zu fühlen. Sie hatte einigen Schulfreundinnen in Indien ein bisschen von dieser Sache erzählt – denjenigen, die sich nicht von ihren Ehemännern oder Familien daran hatten hindern lassen, auch weiterhin Kontakt zu ihr zu haben. Doch sie hatte niemandem außer ihrer Familie und Darshan von ihrer Überzeugung erzählt, dass ihre eigene Cousine an ihrem Untergang schuld war. Der Beweis war verschwunden. Padmini hatte vermutlich alle Spuren beseitigt, ehe die Seite mit Janyas Bildern im Internet aufgetaucht war. Hätte jemand danach gesucht, so hätte er keine manipulierten Bilder, keinen Text, keine Hinweise jeglicher Art entdeckt.
Nachdem sie die Geschichte mit jemandem geteilt hatte, fühlte Janya sich erleichtert, als wäre eine Last von ihren Schultern genommen. Sie konnte wieder durchatmen.
Tracy hatte gesagt, Janya sei betrogen worden. Und ja, genau das war passiert. Sicherlich hätte sie vorsichtiger sein müssen. Sie hätte erkennen müssen, dass ihre Cousine Darshan für sich hatte haben wollen und dass sie bereit gewesen war, alles zu tun, um ihn zu bekommen. Doch das waren die einzigen Vorwürfe, die sie sich machen durfte.
Natürlich hatte es Anzeichen
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