Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
gegeben. Padmini hatte sie wiederholt vor Darshan gewarnt. Sie hatte gesagt, dass Darshan möglicherweise doch eine Frau mit besseren Beziehungen als Janya heiraten würde, dass seine Familie die Hochzeit nicht gutheißen würde und dass Janya weder ihr Herz noch ihren Ruf riskieren solle. Wenn sie so darüber nachdachte, waren manchmal Nachrichten von Darshan nicht weitergeleitet worden. Oder Padmini hatte sich zwischen sie gedrängelt. Janya hatte Mitgefühl empfunden und sich gefragt, ob Padmini den Gedanken unerträglich fand, ihre Cousine an einen Mann zu verlieren – egal, welcher Mann auch immer es war. Denn wenn Janya erst mal geheiratet hätte, wären sie einander nicht mehr so nahe gewesen.
Als sie am späten Samstagnachmittag nach Hause gegangen waren, hatte Alice noch etwas Wichtiges gesagt. Die beiden Frauen waren den anderen, die mit Olivia Ball gespielt hatten, in einigem Abstand gefolgt. Alice hatte ihre Hand auf Janyas Arm gelegt. Zuerst hatte Janya gedacht, dass Alice Schwierigkeiten gehabt hätte, im Sand zu laufen. Doch dann war die alte Frau stehen geblieben, und als Janya sich umgedreht hatte, um ihr zu helfen, hatte sie traurig gelächelt.
„Du hast einen Fehler gemacht …“ Sie hatte innegehalten und dann den Kopf geschüttelt. „… aus Liebe, Janya. Das sind die Fehler, die man am schwierigsten ertragen kann, aber …“ Sie hatte nach den richtigen Worten gesucht. Janya hatte nicht versucht, ihr zu helfen. „Aber die Engel segnen uns …“, hatte sie schließlich gesagt. „Und sie verstehen.“
Inzwischen dachte Janya, dass Alice auf ihre Art gesagt hatte, dass sie sich selbst vergeben solle. Sie hatte einer Cousine vertraut, die sie geliebt hatte. Vertrauen und Liebe – auch wenn man sie den falschen Menschen entgegenbrachte – waren Tugenden. Sie hatte sich vielleicht dumm verhalten, aber nicht gefühllos. Das war Padminis Rolle gewesen.
Wie so oft hatte Rishi den Sonntag über gearbeitet, und Janya hatte den ganzen Tag lang gegrübelt. Am Nachmittag hatte sie sich entschlossen, eine Zeichnung ihrer Cousine anzufertigen. Doch es sollte keine der liebevollen Zeichnungen von einst werden. Dieses Bild sollte den Menschen zeigen, zu dem Padmini geworden war. Nicht Padmini als Dämon, sondern als eine Frau, die den Plan gefasst und in die Tat umgesetzt hatte, einen Menschen ins Verderben zu stürzen, den sie angeblich geliebt hatte. Eine durchtriebene Frau, die nicht davor zurückschreckte, anderen Menschen Leid zuzufügen, um das zu bekommen, was sie wollte.
Janya tat Darshan beinahe leid, weil er für all die Jahre ihrer Ehe an Padmini gebunden sein würde. Aber das war vergeudetes Mitgefühl. Darshan hatte sich schließlich entschlossen, sie zu heiraten. Selbst wenn seine Eltern darauf bestanden hatten – er war ein Mann, und er hatte das Recht, Nein zu sagen. Und genauso hätte er vor vielen Monaten darauf bestehen können, dass die Hochzeit mit Janya wie geplant stattfand und dass jeder, der dumm genug war zu glauben, sie hätte ihren eignen Ruf zerstört, getrost zu Hause bleiben konnte.
Am Mittwochnachmittag stand sie vor einer Staffelei, die sie in ihrem Vorgarten aufgebaut hatte, und vollendete die letzten Pinselstriche an dem Porträt. Die Ähnlichkeit war verblüffend. Sie hatte ihre Cousine an einer Hausecke gemalt. Sie blickte dahinter hervor, als würde sie sich verstecken … warten … Aber nicht wie eine Frau, die auf ihren Geliebten wartete. Padminis Miene war verschlagen, fast schon falsch. Sie war eine Frau, die auf den richtigen Moment wartete, um hervorzuspringen. Das Porträt war hintergründig. Auf den ersten Blick sah der Betrachter eine hübsche Frau in der Blüte ihrer Jugend, die erwartungsvoll harrte. Doch eine nähere Betrachtung weckte Unbehagen. Es war eine Frau mit Geheimnissen. Eine Frau, die vorhatte, einem anderen Menschen wehzutun.
Janya trat zurück und sah sich ihr Werk an. Damit war sie fertig. Sie wollte das Bild nicht länger ansehen müssen. Es hatte seinen Zweck erfüllt. Padmini zu malen hatte ihr geholfen, ihren Geist zu vertreiben.
Als sie sich umdrehte, sah sie Tracy, die den Weg entlangkam. Sie war so versunken gewesen, dass sie nicht gehört hatte, wie Tracy sich genähert hatte. Eine zweite Meinung über das Bild zu hören war sicherlich interessant.
Tracy trat neben sie. Eine volle Minute starrte sie das Bild an, ehe sie sprach.
„Das ist deine Cousine, habe ich recht?“
„Woher weißt du das? Wir sehen uns überhaupt
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