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Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)

Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)

Titel: Insel hinter dem Regenbogen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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Alice und Olivia aufpassen, wenn sie nicht hier wohnte und ein Auge auf sie haben konnte?
    Sie wartete auf den Ruck eines Ankers, der auf den Meeresboden traf, und auf das vertraute Gefühl, dass sie eine schlanke Motorjacht war, die in einer Flotte von Schlauchbooten vertäut war. Stattdessen sah sie den Strand entlang und erblickte Marsh und Bay, die auf sie zukamen. Sie spürte, wie ihr Anker sacht in ein unerschöpfliches, reichhaltiges Delta sank – den Ort, an dem das Leben beginnt.
    Wanda fühlte sich wie eine Schauspielerin auf der Premiere nach einer anstrengenden Generalprobe. Sogar die Mühe, die sie sich beim Anziehen, bei ihrem Haar und Make-up gegeben hatte, war vergleichbar mit der Mühe, die ein Broadwaystar sich gab, ehe er auf die Bühne trat.
    Sie hatte sich für ein pfirsichfarbenes T-Shirt mit U-Ausschnitt entschieden und darunter einen hautfarbenen BH gezogen, den sie bei Victoria’s Secret erstanden hatte. Ihre bequeme Caprihose hatte sie durch eine weiße Leinenhose ersetzt, die ihre Krampfadern verdeckte. Und sie hatte ihre Zehennägel in einem leuchtenden Rot lackiert. Sie war bereit, endlich Shadow kennenzulernen.
    Am Nachmittag hatte sie in ihren Unterlagen nachgeschaut, wie oft sie und Shadow sich unterhalten hatten. Sie hatte elf Gespräche gezählt, und keines davon hatte besonders lange gedauert. An diesem Mann hatte sie nicht einmal genug verdient, um sich einen guten Piratenroman und eine Flasche Wein zu kaufen. Allerdings war es in der Beziehung mit Shadow auch nie um Geld gegangen. Sie hatten eine besondere Bindung zueinander aufgebaut. Von Anfang an hatte sie ihn verstanden und sich auf seine Anrufe gefreut. Er war inzwischen der einzige Anrufer, den sie entgegennahm. Lainie hatte schließlich aufgegeben und jemand anders gefunden, der Wandas Kunden übernommen hatte. Wanda bedauerte das nicht.
    Am vergangenen Abend, als Shadow sie gebeten hatte, sich mit ihm zu treffen, hatte sie keine Sekunde gezögert. Seit einiger Zeit – vielleicht schon seit dem ersten Kontakt – hatte sie gewusst, dass ein Treffen unvermeidlich war. Sie waren Seelenverwandte. Die Telefonate waren nur ein Vorspiel auf etwas, das inniger und wichtiger war. Und sie war für beides bereit.
    Sie hatten beschlossen, sich am Strand in der Nähe des alten indianischen Zeremonien- oder Begräbnishügels zu treffen. Sie hatte ihm gesagt, was sie anziehen würde, und er hatte ihr gesagt, sie könne nach einem Mann in einem hellblauen Sporthemd und einer Jeans Ausschau halten. Möglicherweise würde er die Flucht ergreifen, wenn er ihr wahres Ich sah. Doch eigentlich glaubte sie das nicht. Shadow war keiner dieser Typen.
    Nach einem kurzen Spaziergang brachte sie Chase nach Hause und stieg ins Auto. So aufgeregt war sie nicht mehr gewesen, seit sie Lee Symington in Alices dunklem Schlafzimmer hinter Tracy und Alice hatte auftauchen sehen. In dem Moment war sie auch wütend gewesen. Und wenn sie hätte dazwischengehen und den Mann erwürgen können, hätte sie es getan. Nie war sie glücklicher gewesen, ihren Ehemann zu erblicken, und nie stolzer auf den Mann, der Ken war, und auf das, was er getan hatte. Die Begegnung mit Lee hatte bewiesen, dass er seinen Job noch immer machen konnte, dass er weder schießwütig noch schussscheu war, sondern einfach ein guter Polizist mit einem funktionierenden Gewissen. Vermutlich konnte sie sich bei Lee für diese Erkenntnis bedanken – wenn er auch sonst außer Olivia nichts zustande gebracht hatte.
    Die Fahrt zu dem Strand, den Shadow vorgeschlagen hatte, dauerte nur fünf Minuten. Sie war pünktlich, parkte den Wagen und atmete tief durch. Dann atmete sie zur Sicherheit noch einmal tief durch und stieg schließlich aus dem Auto. Langsam überquerte sie den Parkplatz. Die Absätze ihrer Sandalen klickten auf dem Asphalt. Auch andere Autos standen hier, doch offenbar war kein Bekannter da. Ihrer Meinung nach hatte Palmetto Grove genau die richtige Größe. Eine Frau konnte Freunde finden, sich ihren eigenen Bekanntenkreis aufbauen, aber zugleich auch ein kleiner, unerkannter Teil in einer großen Menge sein. Und genau das war es, was sie sich für heute Abend erhoffte.
    Die Sonne würde noch eine Stunde brauchen, ehe sie mit dem Horizont verschmolz, doch der Himmel leuchtete bereits in zartem Rosa und flammendem Rot. Den Großteil ihres Lebens hatte sie die Sonnenuntergänge in Florida als selbstverständlich hingenommen, aber sie wusste, dass sie nie an einem Ort würde leben

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