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Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)

Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)

Titel: Insel hinter dem Regenbogen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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hören.“
    „Ja, Janya. Wie geht es in den Vereinigten Staaten?“ Egal bei welcher Gelegenheit, Inika Desai klang immer gleich – als wäre das Leben ein Geschäft, bei dem es auf Wirtschaftlichkeit ankam, als wäre jede Unterhaltung ein Auftrag, den man möglichst schnell erledigen musste. Sie war effizient und unabhängig, und wenn sie starke Gefühle empfand, so hatte sie gelernt, sie zu verbergen. Janya konnte sich nicht daran erinnern, dass ihre Mutter ihr mal gesagt hätte, dass sie sie liebte. Offene Zuneigung war allerdings auch nicht so sehr Teil der Kultur, in der sie aufgewachsen war, als in der, in der sie jetzt lebte. Inika hatte stattdessen ihre Liebe gezeigt, indem sie ihrer Tochter einen guten Start ins Leben ermöglicht hatte.
    Und ganz offensichtlich war sie der Überzeugung, dass Janya diesen Start vertan hatte.
    Die Verbindung war heute so gut, dass Janya das Gefühl hatte, sie würde im Schlafzimmer ihrer Mutter sitzen, wie sie es als Kind oft getan hatte. Damals hatte sie ihrer Mutter dabei zugesehen, wie sie goldene Armbänder angelegt und ihr pechschwarzes Haar gekämmt hatte.
    „Uns geht es gut“, sagte Janya. „Rishi arbeitet viel, aber er ist ein aufmerksamer Ehemann.“
    „Das ist gut.“
    „Und wie geht es meiner Familie?“
    „Deine Familie ist dort, in Amerika, bei deinem Mann.“
    Wenn ihre Mutter noch immer den Drang verspürte, sie zu lehren, wie man eine gute Ehefrau war, dann war vielleicht noch nicht alles verloren. „Wie geht es meiner Familie in Indien? “
    „Ganz gut. Die Hitze ist fürchterlich, und dein Vater muss viel husten, aber schon bald beginnt ja die Regenzeit.“
    „Und wie geht es dir?“
    „Mir geht es immer gut.“
    Janya wartete und hoffte, dass ihre Mutter den Gesprächsfaden weiterführen würde, doch das tat sie nicht. Also erkundigte Janya sich nach Yash.
    „Er ist ein guter Junge, der sich sehr bemüht und uns keine Schande macht.“
    Janya spürte den Schlag, als hätte die Hand ihrer Mutter die Kilometer zwischen ihnen einfach überwunden. Wieder schnürte sich ihr die Kehle zusammen. Sie war sich nicht sicher, ob Worte um den Kloß in ihrem Hals herumkommen würden.
    „Er ist nicht hier, um mit dir zu sprechen“, sagte ihre Mutter, noch ehe Janya ihre nächste Frage hervorbringen konnte. „Er ist tagsüber mit seinem Vater zusammen. Die Schule findet zurzeit nicht statt. Dein Vater möchte, dass er lernt, was das Leben für ihn bereithält, wenn er die Prüfungen erst einmal bestanden hat. Er hat keine Zeit für lange Unterhaltungen.“
    Janya fragte nach ihren Verwandten – ihrem Onkel, dessen Söhne und deren Familien, die im oberen Stockwerk des Hauses lebten, das die Familien sich teilten. Und nach der Frau ihres Onkels, die eine Hüftoperation hatte, und nach einer älteren Cousine ihres Vaters, die im Sterben lag.
    Ihre Mutter gab knappe Antworten und ermahnte Janya schließlich, dass der Anruf teuer sei und sie Rishis Geld nicht verschwenden solle, wenn man sich ebenso gut einen Brief schreiben könne. Janya bekam nicht die Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass ihre Mutter nur äußerst selten schrieb, um Neuigkeiten mitzuteilen, denn ihre Mutter sprach schon weiter.
    „Ich werde dir sowieso bald schreiben. Es gibt etwas, das ich dir sagen muss, was besser in einem Brief geht.“
    „Aber es wird mindestens eine Woche dauern, ehe ich die Post erhalte. Was kann es denn geben, das du mir nur in einem Brief schreiben kannst?“
    „Die allerneusten Neuigkeiten. Ich will nicht, dass du überreagierst. Du musst es akzeptieren, als hätte es nicht anders sein sollen. So wie jeden Tag deines Lebens.“
    Janya hatte sich erhoben, um sich zu strecken, doch nun setzte sie sich wieder hin. „Aber jetzt mache ich mir Sorgen.“
    „Dazu besteht kein Grund. Es ist etwas, das du auch nicht ändern kannst, wenn du dir Sorgen machst. Es ist einfach, wie es ist. Niemand ist krank geworden oder wird sterben. Du bist alt genug, um zu verstehen, dass nicht alles, was du willst, auch gut für dich ist.“
    Janya wusste, dass es keinen Sinn hatte, ihre Mutter überreden zu wollen. Hatte sie erst mal eine Entscheidung gefällt, war diese Entscheidung wie in Granit gemeißelt. Als Kind hatte Janya sich die Weisungen ihrer Mutter immer wie ein Sanskrit-Text in einer Tempelmauer vorgestellt.
    „Ich vermisse euch“, sagte Janya, auch wenn sie wusste, dass die Worte eher an sie selbst gerichtet waren. Trotzdem hatte sie das Bedürfnis, sie laut

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