Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
locker und behutsam zur Sprache bringe. Ich nehme es heute Abend in Angriff. Ist das in Ordnung?“
„Sicher. Und danke.“
„Ich werde Ihnen Bescheid geben, falls ich irgendetwas herausfinde. Soll ich Sie bis zu Ihrem Haus mitnehmen?“
Er schenkte ihr ein weiteres warmherziges Lächeln, als sie dankend ablehnte. An dieses Lächeln könnte ich mich gewöhnen, dachte sie bei sich.
Als sie wieder zu Hause war, umgeben von all den Beweisen für ihren Neustart, musste auch sie lächeln. Eigentlich wollte sie nicht hier sein. Nicht in diesem Bundesstaat, nicht in diesem Häuschen. Aber jetzt bestand die Möglichkeit, dass ihr Aufenthalt hier doch nicht so schlimm werden würde, wie sie noch gestern befürchtet hatte.
7. KAPITEL
W anda war sich nicht sicher, wann Ken von seinem nächtlichen Spaziergang zurückgekehrt war, doch am nächsten Morgen lag wieder die Zeitung auf dem Küchentisch, und die Reste einer Kanne Kaffee standen auf der Anrichte. Wie der Mann mit so wenig Schlaf überleben konnte, bereitete ihr kein Kopfzerbrechen. Niemand zwang ihn dazu, auf Palmetto Grove Key umherzustreifen. Was auch immer er tat, er stand auf eigenen Füßen. Und soweit sie wusste, hatte er am Ende seiner Streifzüge ein bequemes Bett gefunden – ein Bett ohne sie.
Seit Anfang April machte sie die Mittagsschicht im Dancing Shrimp. Sie und Lainie, ihre Vorgesetzte, hatten entschieden, dass ihr abends so mehr Zeit für wichtigere Dinge blieb. Und außerdem waren im Sommer die Trinkgelder in der Mittagsschicht nicht schlecht. Das Dancing Shrimp lag direkt an der Bucht, und Wanda übernahm für gewöhnlich die Tische auf der Terrasse. Draußen waren die Gäste freigebiger, als hätten sie das Gefühl, für die schöne Aussicht auf die Segelboote und Pontons ein bisschen mehr bezahlen zu müssen. Obendrein bot Wanda einen besonderen Service.
Einige Kellner vermittelten den Eindruck, dass es unter ihrer Würde war, Menschen zu bedienen. Nicht so Wanda. Das Leben war kein Wunschkonzert, nur etwas, das manchmal so klang. Und jeder brauchte ab und an ein paar Streicheleinheiten, um das alles durchzustehen. Man konnte nicht in einen anderen Menschen hineinblicken. Wanda duldete zwar keine Unverschämtheiten, aber sie kam gut mit mürrischen Zeitgenossen zurecht. Sie brachte sie zum Lächeln und manchmal sogar zum Lachen, selbst wenn sie ihnen später die Rechnung gab. Sie hatte diese Gabe. Und jemandem Essen zu bringen, Speisen zu empfehlen, Getränke nachzufüllen? Das war nur ein guter Weg, um ihr gottgegebenes Talent zu nutzen.
Doch als heute ihre Schicht um zwei Uhr endete, war sie vollkommen erschöpft. Die Terrasse lag im Schatten, und Ventilatoren hielten die Luft in Bewegung. Aber dank der durchdringenden Hitze, einem Paar schwieriger Gäste und einem Kollegen, der einen Wutausbruch hatte, weil eine Gruppe von spendablen Stammgästen ausdrücklich nach Wanda verlangt hatte, fühlte sie sich, als hätte jemand ihr Innerstes nach außen gekehrt. Darüber hinaus war ihr Magen in Aufruhr, brodelte und brannte, und am Ende ihrer Schicht hatte sie eine ganze Rolle Magentabletten gegessen. Sie nahm an, dass es keine so gute Idee gewesen war, im Sommer einen Kokosnusscremekuchen zu machen, wenn nur eine Person da war, um ihn zu essen. Und zu essen. Und zu essen.
Die Vorfälle bei der Arbeit waren nicht ihr einziges Problem. Sie war unzufrieden mit sich selbst. Wenn es bei der Arbeit nicht so gut lief, aber zu Hause alles in Ordnung war, dann konnte sie damit umgehen. Umgekehrt genauso. Doch wenn es in allen Lebensbereichen nicht gut lief? Tja, das Leben war einfach zu kompliziert. Und traurig.
Zu Hause schlüpfte sie aus ihrer Uniform: einer blauen Caprihose und einem roten Polohemd mit einem Logo, das zwei tanzende Shrimps zeigte, die mit buntem Garn aufgestickt waren. Sie konnte sich kein altmodischeres Outfit vorstellen, aber wenigstens machte es ihr nichts aus, wenn etwas verschüttet wurde oder auf ihr Hemd spritzte. Und die Shrimps verliehen dem ganzen Ensemble ein wenig Persönlichkeit und Pep – etwas wie: „Los, tanzt, bevor sie euch essen!“.
In ihrem kleinen Wohnzimmer fiel sie auf das alte Rattansofa. Es war mit einem so kreischend bunten Stoff bezogen, dass Ken – als er noch sprach – immer sagte, man bräuchte eine Sonnenbrille, um fernzusehen. Ihr machte es nichts aus. Beim Anblick der Orchideen, Palmwedel und all der anderen Dinge in leuchtenden Rottönen, Lindgrün und Orange musste sie immer lächeln.
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