Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
berichtete.
„Also hat er eine Tochter“, sagte sie, als Tracy geendet hatte. „Und wenn sie woanders gelebt hat, als er in Kentucky wohnte, war dieses ‘Woanders’ möglicherweise hier? Vielleicht ist das der Grund, warum er nach Florida gezogen ist.“
„Ich weiß, aber falls das so ist, wäre sie dann nicht schon längst einmal hier aufgetaucht?“
„Vermutlich. Aber möglicherweise hatten sie sich voneinander entfernt.“ Janya dachte an ihre eigene Familie. „Das passiert oft bei Eltern und Kindern.“
„Das müssen Sie mir nicht sagen“, erwiderte Tracy. „Im Augenblick leben meine Eltern in Kalifornien und wünschten sich, ich wäre niemals geboren.“
Ihre Worte versetzten Janya einen schmerzhaften Stich, auch wenn es ihr unglaublich vorkam, dass sie und diese Frau etwas gemeinsam haben könnten. „Also hoffen Sie, dass Sie eventuell ihre Adresse finden?“
„Ihre Adresse oder den Namen von jemandem, der mir dabei helfen könnte, sie zu finden. Ich muss zugeben, dass ich die Angelegenheit vor mir hergeschoben habe. Es ist seltsam, in Herbs Haus zu gehen.“ Tracy blickte Janya an. „Nicht, dass ich abergläubisch wäre, aber es kommt mir irgendwie nicht richtig vor. In dem Haus zu sein und durch seine Sachen zu schauen. Als würde ich die Ruhe der Toten stören, ihre Geister aufschrecken.“
„Glauben Sie an Geister?“
„Ich hätte es selbst nicht für möglich gehalten.“
„Als die Mutter meines Vaters gestorben ist, habe ich geglaubt, zu sehen, wie etwas ihren Körper verlassen hat. Fast wie eine Rauchfahne.“
„Oh, danke. Jetzt muss ich mir die ganze Zeit Gedanken machen, ob Herb vielleicht noch irgendwo ist und mich erschreckt, während ich seine Sachen durchsuche. Meinen Sie, dass er mich heimsuchen wird, weil ich es getan habe?“
„Öffnen Sie die Türen und die Fenster, und lassen Sie frische Luft hinein. Dann werden Sie sich besser fühlen.“
„Vielleicht finde ich ja ganz schnell einen Hinweis. Vielleicht ist es alles ganz einfach.“
„Ich könnte Ihnen helfen.“ Janya hatte gar nicht vorgehabt, dieses Angebot zu machen. Doch vor ihr lag ein langer, einsamer Tag. Die Woche hatte gut begonnen. Sie hatte neue Dinge erlebt, Dinge, die ihr Freude gemacht hatten. Warum also sollte sie nicht so weitermachen?
„Lassen Sie uns ehrlich miteinander sein“, sagte Tracy. „Ich bin hin und her gerissen. Sie kümmern sich schon um die Pflanzen. Sie haben mir an dem Tag geholfen, als ich ihn gefunden habe. Ich hätte Sie schon gern mit dabei, aber ich fühle mich … ich weiß auch nicht … schuldig.“
„Das müssen Sie nicht. Ich habe im Augenblick nichts anderes vor. Meine Tage sind so geordnet.“
„Tja, meine Tage sind vollkommen chaotisch. Genau wie mein Haus. Würde es Ihnen denn wirklich nichts ausmachen?“
„Wirklich nicht.“ Janya wurde klar, dass sie es genauso meinte. Sie war sich nicht sicher, ob sie Tracy Deloche mochte, doch sie war sich auch nicht sicher, dass sie sie nicht mochte.
„Dann sollten wir Ihren Ratschlag befolgen und alle Fenster öffnen, um frische Luft ins Haus zu lassen. Ich hatte sie geöffnet, bis es vor ein paar Tagen geregnet hat.“ Tracy ging den Weg zum Haus hinauf. Janya folgte ihr und sah zu, wie sie die Tür aufschloss.
Im Haus roch es lediglich wie in Häusern, die länger nicht gelüftet worden waren – ein bisschen muffig, ein wenig feucht. Tracy gab Janya ein Zeichen. „Ich habe von der Klimaanlage auf die Ventilatoren umgestellt, also wird es im Haus ziemlich warm sein. Aber es wird bestimmt besser, wenn die Luft erst mal ein bisschen in Bewegung kommt.“
Sie kümmerten sich schnell um die Fenster und ließen die Eingangstür auf, während die Fliegengittertür davor geschlossen blieb. Janya schaltete die Ventilatoren ein, und Tracy machte die Küchentür auf, um die Luftzirkulation zu verbessern.
Zurück im Wohnzimmer, sah Tracy sich um. „Ich dachte, ich sollte mit einem Rundgang anfangen. Möglicherweise mache ich aus einer Mücke einen Elefanten. Denn vielleicht gibt es gar keine Unterlagen, die ich durchsuchen könnte. Bisher habe ich jedenfalls keine Papiere herumliegen sehen.“
„Da ist Post.“ Janya ging einen Stapel auf dem Couchtisch durch, um zu zeigen, was sie meinte, und ließ die Briefe dann wieder auf die Glasplatte des Tisches fallen.
„Tatsächlich?“
„Sie haben die Post nicht reingeholt?“
„Ich fürchte, ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass er noch immer Post erhalten
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