Insel meiner Sehnsucht Roman
Königin.
Nicht weit entfernt, im Westen, jagte der große Held Perseus über das Himmelsgewölbe. Dies war eine Nacht für Krieger. Im Südwesten funkelte der Orion. Für den Orion hegte Kassandra eine besondere Vorliebe, denn er war das erste Sternbild, das sie in ihrer Kindheit erkannt hatte – natürlich abgesehen vom Großen und Kleinen Wagen. Aber die waren leicht zu finden. Schon immer hatte sie der Orion fasziniert. Sie stellte sich vor, wie sie mit ihm über den Himmel wandern würde, und träumte von den Aussichten, die sich ihr da oben bieten mochten.
Oder hatte sie von einem anderen Krieger geträumt, der im Südwesten erschien, nicht am samtschwarzen Himmel, sondern viel näher? An der stolzen Haltung seines Kopfes erkannte sie ihn sofort, auch an den breiten Schultern und der Hand, die den Schwertgriff umschloss.
Während er auf sie zukam, flatterte sein dichtes Haar im Wind, vom Sternenschein versilbert.
» Royce …«
Warum war er hier? Sie hatte angenommen, er würde mit den Männern sprechen.
»Offenbar ist es unser Schicksal, einander an außergewöhnlichen Orten zu begegnen, Atreides.« Seine Stimme klang ein wenig spöttisch. Vielleicht amüsierte ihn ihre Verwirrung. Doch sie spürte auch seine Müdigkeit und musste den Impuls bekämpfen, ihm entgegenzueilen.
Stattdessen nahm sie ihren ganzen Mut zusammen. »In der Tat, Lord Hawkforte. Fast könnte man meinen, es würde so etwas wie ein Schicksal geben.«
»So ist es nicht. Es gibt nur verschiedene Möglichkeiten, die zur Wahl stehen.«
»Ja, dieses Gefühl hatte ich schon immer.«
»Müsstest du es nicht wissen, Atreides? Auf diesem Gebiet bist du eine Expertin.«
»Wenn du meinst … Ich bin anderer Ansicht.« Sie wandte sich ab – unfähig, den zornigen Glanz in seinen Augen zu ertragen, die sie angesehen hatten, als wäre sie das schönste, begehrenswerteste Geschöpf auf Erden. Wenn sie seinen Groll und den Schmerz, den er damit maskierte, auch verstand – sie fand beides unberechtigt. Was hatte sie denn verbrochen? Sie war nur dem Weg gefolgt, den ihr die Pflicht vorgeschrieben hatte. Manche Erkenntnisse waren stets unvollkommen und lückenhaft. Sie hatte gewusst, wie sie den Vanax vertreten musste, doch es war ihr misslungen, die Forderungen zu erfüllen, die Royce an eine Frau stellte.
»Was führt dich hier herauf?«, fragte sie – nur um irgendetwas zu sagen, um den Gedanken an den Abgrund zu verdrängen, auf dessen Schwelle sie zu schwanken schien. Wie mochte das Leben ohne ihn verlaufen? Wie würde sie es ertragen, nur von Erinnerungen zu zehren?
»Marcellus hat diese Sternwarte erwähnt. Auch auf Hawkforte besitzen wir ein Observatorium, das Erbe eines Ahnherrn, der trotz des englischen Wolkenhimmels nicht kapitulieren wollte.«
»Beharrlichkeit angesichts widriger Umstände ist stets bewundernswert.«
»Genauso wie die realistische Einschätzung der Erfolgsaussichten.«
Damit meint er uns beide, dachte sie schweren Herzens. Und dann stellte sie die Frage, die ihr seit Stunden auf der Seele brannte. »Wieso hast du Deilos nicht getötet?«
Royce runzelte die Stirn, und es dauerte eine Weile, bis er antwortete. »Oh ja, ich habe davon geträumt, ihn zu töten«, gestand er zögernd. »Eine Zeit lang konnte ich an nichts anderes denken. Auch in den letzten Wochen gab es kaum einen Tag, an dem ich mir seinen Tod nicht ausmalte.«
»Trotzdem lebt er.«
»Dafür finde ich keine Erklärung – falls du eine hören willst.«
Umso besser kannte Kassandra seine Beweggründe. »Dein Ehrgefühl verbietet dir, einen wehrlosen Feind zu töten.«
Er lachte bitter. »Oder mein Abscheu bezwang meine Rachsucht.«
»Ja, er ist ein widerwärtiger Schurke. Und in gewisser Weise bestrafst du ihn viel grausamer, wenn du ihn am Leben lässt.«
»Vielleicht. Aber die Entscheidung liegt nicht mehr bei mir. Darüber bin ich sogar – froh …«, fügte er langsam hinzu, als würde ihn diese Geständnis selbst verblüffen.
Was ihn bewegte, wusste sie nur zu gut. »Jetzt bist du frei.«
Ihre Einfühlungsgabe schien ihn zu irritieren, und er warf ihr einen scharfen Blick zu. »Das nehme ich an – soweit ein Mensch jemals frei sein kann. Immer wieder legt uns das Leben in Fesseln.«
Da musste sie ihm Recht geben. Unentwegt geriet man in die Fallstricke von Träumen und Enttäuschungen, Freuden und Sorgen. Was einem bevorstand, wusste man nicht, und dennoch verfolgte alles einen bestimmten Zweck.
Durfte sie hoffen, das Schicksal
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