Insel meiner Sehnsucht Roman
feuerte die Kämpfer an.
»Willst du morgen an den olympischen Spielen teilnehmen?«, fragte Atreus und nahm Royce in den Würgegriff.
Royce packte den starken Arm. Die Beine gespreizt, schleuderte er den Vanax von Akora kunstgerecht in den Staub. »Allerdings«, antwortete er.
Lachend erhob sich Atreus. »Gut gemacht, Engländer. Du lernst sehr schnell, worauf es ankommt.«
»Das habe ich in deinem Königreich auch verdammt nötig«, betonte Royce. Aber sein Lächeln erlosch nicht.
Vor zwei Tagen war er auf Akora eingetroffen, und in dieser kurzen Zeit hatte er sich mehr Schrammen, Platzwunden und blaue Flecken eingehandelt als je zuvor in seinem Leben. Trotzdem fühlte er sich großartig. Er mochte Atreus, wenn er ihn auch ziemlich hartgesotten und angriffslustig fand. Diesen Eindruck hatte Royce sofort gewonnen, als der Vanax einen Tag nach der Ankunft des Schiffs von einer einwöchigen Inspektion der Befestigungsanlagen an den Küsten zurückgekehrt war. Immer noch voller Straßenstaub, hatte er den englischen Besucher in sein Privatbüro beordert. Seither waren sie unzertrennlich.
Royce wusste, dass Atreus ihn beobachtete und abschätzte. Doch das störte ihn nicht, denn er taxierte ihn seinerseits. Und was er bisher festgestellt hatte, gefiel ihm.
»Zu diesen Spielen werden die besten Athleten aus ganz Akora anreisen«, erklärte Atreus, als sie nach dem Wettkampf zu den Duschräumen gingen. »Wir nutzen die olympischen Spiele, um Bekanntschaften zu vertiefen, Neuigkeiten auszutauschen und unsterblichen Ruhm zu erlangen.«
»Klingt interessant …« Schon jetzt freute sich Royce auf das heiße Wasser, das bald auf seinen geschundenen Körper herabrieseln würde. Heißes Wasser … Wie zum Teufel brachten sie das fertig? »Wer kam auf die Idee? Habt ihr die Spiele von den Griechen übernommen? Oder war es umgekehrt?«
Inzwischen hatten sie die Vorhalle erreicht. »Je nachdem, welches Volk du für die Griechen hältst«, antwortete Atreus, nahm von einem Diener ein Badetuch entgegen und reichte Royce ein anderes. »Woher die ursprünglichen Bewohner von Akora stammten, wissen wir nicht genau. Die Legende erzählt von einer weiten Seefahrt. Aber das ist auch schon alles. Jedenfalls waren die Menschen, die nach dem Vulkanausbruch hierher kamen, eindeutig Griechen. Nicht die Griechen aus Athen oder Sparta, sondern aus einer früheren Ära – aus der Zeit vor dem trojanischen Krieg.«
»Die Mykener?«, fragte Royce erstaunt.
Atreus nickte. »Wenn ein besonders tapferer Krieger starb, hielten sie zu seinen Ehren Spiele ab. Damit begann die Tradition. Auf Akora fanden die ersten olympischen Spiele im zehnten Jahr nach dem Vulkanausbruch statt, und seither wurden sie jedes Jahr veranstaltet, ohne eine einzige Ausnahme.«
»Gibt es eine Liste der Athleten, die im Lauf der letzten dreitausend Jahre an den Wettkämpfen teilnahmen?«
»Natürlich, du findest sie in der Bibliothek. Kassandra hat erwähnt, sie würde dich hinführen.«
»Wenn du nichts dagegen hast.«
»Gar nichts«, versicherte Atreus, während sie die Lendenschurze ablegten. Dann traten sie unter die Duschen, die in eine Kachelwand eingelassen waren, und betätigten Hähne, um das Wasser aufzudrehen. Die Brausen befanden sich ziemlich hoch oben, aber beide Männer waren so groß, dass ihre Köpfe beinahe dagegen stießen.
»Nun habe ich noch eine Frage, die eure Spiele betrifft«, begann Royce.
»Ja?«
»Im antiken Athen waren die olympischen Athleten nackt, und die Akoraner tragen Lendenschurze.«
»Die Athener erlaubten den Frauen nicht, die Wettkämpfe zu beobachten!«, überschrie Atreus das Wasser-rauschen. »Auf Akora betrachten wir unbekleidete Körper zwar etwas unbefangener als die Europäer – aber so weit wie die alten Griechen wollen wir denn doch nicht gehen.«
»Habt ihr niemals erwogen, die Frauen auszuschließen?
»Hin und wieder – doch das war unmöglich.«
»Warum?« Royce seifte seinen Körper ein. Dabei mied er sorgsam die verletzten Stellen. »Ich kenne diese Regel – die Krieger herrschen, die Frauen dienen. Aber offen gestanden, habe ich das Gefühl, sie wird nicht beachtet.«
»Ja, da gibt es gewisse Schwierigkeiten.«
Als Royces Verdacht bestätigt wurde, grinste er. »Die Frauen können ziemlich hartnäckig sein, wenn sie ihren Willen durchsetzen wollen.«
»Nicht nur das. Auf Akora gibt es ein heiliges Gesetz – die Männer dürfen den Frauen nichts zuleide tun. Es stammt aus jener Zeit, in der die
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