Insel meiner Traeume
füllen und seine Hände zu waschen, wie es die Verhaltensmaßregeln erforderten. Argwöhnisch starrte Joanna ihn an, als er in die Kabine zurückkehrte. »Die Wunde muss genäht werden«, erklärte er. »Keine Angst, ich gebe Ihnen eine Arznei, die Sie einschläfern wird. Wenn Sie erwachen, ist alles erledigt.«
Während er sprach, nahm er ein Fläschchen aus der Truhe. Mit diesem Medikament ging man ein gewisses Risiko ein, denn eine zu starke Dosis würde die Gefahr heraufbeschwören, dass der Patient nicht mehr erwachte. Aber er wollte der Lady eine ganz geringe Menge verabreichen, die ihre Wirkung nur so lange ausüben würde, bis die Wunde gereinigt, genäht und bandagiert war.
»Nein.«
Verblüfft hob er den Kopf. Hatte er sich verhört? »In diesem Fall sind mindestens vier oder fünf Stiche nötig. Und die werden Ihnen höllische Schmerzen bereiten.«
Ungeduldig strich sie ihr Haar aus dem Gesicht. »Ich habe schon selbst Wunden genäht. Und als ich acht war, musste eine Verletzung an meinem Fuß genäht werden. Also weiß ich, wie sich das anfühlt.«
»Dann werden Sie die Arznei nehmen.«
»Nein, ich werde es auch ohne Betäubung ertragen.«
Wem versuchte sie das einzureden - ihm oder sich selbst? Nicht dass es wichtig wäre. Noch vor dem ersten Nadelstich würde sie sich anders besinnen.
»Gut«, stimmte er zu und begann, die Wunde zu säubern. Joanna wandte den Kopf ab - nicht rechtzeitig genug, um ihre bebenden Lippen zu verbergen. Obwohl Alex so schnell und behutsam wie nur möglich arbeitete, wusste er, welche Qualen sie ausstand.
»Jetzt werden Sie die Arznei schlucken, Lady Joanna.« In der festen Überzeugung, sie würde klein beigeben, ergriff er Nadel und Faden.
Auf ihre neuerliche Weigerung war er nicht gefasst. Mit bleichen Lippen erwiderte sie: »Nein - ich werde es verkraften. Bringen wir’s hinter uns.«
Nur sekundenlang überlegte er, ob er ihr das Medikament gewaltsam einflößen sollte. Doch dann würde er ihr wehtun, und genau das wollte er vermeiden. Außerdem würde sie ihren Eigensinn bald vergessen und ihn flehentlich um das Betäubungsmittel bitten. Aber in den langen Minuten, die nun folgten, saß sie reglos da. Kein einziger Nadelstich entlockte ihr einen Klagelaut. Erst als die Prozedur beendet war, stöhnte sie erleichtert.
Auf Alex’ Stirn glänzten Schweißtropfen. Wie aus weiter Ferne beobachtete er seine zitternden Hände, die Lady Joannas Arm bandagierten. Schließlich richtete er sich seufzend auf. Sie sank in sich zusammen, wachsbleich und sichtlich erschöpft. Trotzdem brachte sie ein schwaches Lächeln zustande.
»So schlimm war’s gar nicht«, flüsterte sie und verlor die Besinnung.
Diese verdammte, eigenwillige, entnervende - unglaub-
lich tapfere Frau... Warum war sie nicht vor der Behandlung in Ohnmacht gefallen, statt zu warten, bis die Tortur vorbei war? Das zeigte wieder einmal, wie albern sie war. Als hätte er noch einen weiteren Beweis gebraucht!
Aber im Augenblick konnte er selbst nicht allzu klar denken. Von dieser Erkenntnis irritiert, trug er die Lady zum Bett und legte sie behutsam hin, sodass kein schmerzhafter Druck auf ihren verletzten linken Arm ausgeübt wurde. Wenn sie sich auch nicht rührte - ihre tiefen, gleichmäßigen Atemzüge wiesen auf einen natürlichen Schlaf hin. Er zog ihr die Stiefel aus. Dabei hätte er es bewenden lassen, wäre ihm der Zustand ihrer Kleidung nicht aufgefallen. Außer den Blutspuren an ihrem Hemd entdeckte er Schmutz- und Ölflecken - die Folgen ihrer mühsamen Kriecherei durch das schmale Bullauge und des Aufenthalts im Laderaum. Da man ihm beigebracht hatte, Sauberkeit wäre wichtig für die Gesundheit und unabdingbar für einen reibungslosen Genesungsprozess, musste er etwas gegen den beklagenswerten Zustand der jungen Dame unternehmen.
Mit zusammengebissenen Zähnen entfernte er den Beutel, der an ihrer Schulter hing, löste vorsichtig die Verschnürung des Hemds und zog es ihr über den Kopf. Ihre helle, glatte Haut schimmerte fast durchscheinend. Obwohl sie gertenschlank war, waren ihre Brüste wohl gerundet, mit zarten korallenrosa Knospen. Alex warf das zerrissene Hemd beiseite. Nun - da er schon einmal dabei war, konnte er sie genauso gut vollends entkleiden.
An der rechten Hüfte und am Schenkel verunstalteten dunkle violette Flecken die ansonsten makellose Haut. Wahrscheinlich war sie ziemlich unsanft aus der Luke auf die Planken gefallen. Diese Vermutung führte zu der Frage, wie sie
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