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Insel meiner Traeume

Titel: Insel meiner Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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keine Verwendung.«
    Kassandra wollte antworten. Plötzlich erstarrte sie. Das merkte Joanna nicht sofort. Als es ihr auffiel, griff sie sich verwirrt an die Kehle. Anscheinend war die lebhafte Persönlichkeit der Prinzessin einer seltsamen fesselnden Stille gewichen. Ihr Blick galt nicht mehr der Wirklichkeit, sondern einem anderen Ort, den niemand außer ihr sah.
    Und während Joanna sie entgeistert beobachtete, beschleunigten sich Kassandras Atemzüge. »Lady, Sie werden sehr lange hier bleiben.«
    Sida, die gerade eine Stoffbahn zusammenfaltete, hielt mitten in der Bewegung inne und musterte ihre Herrin. Nachdem Kassandra gesprochen hatte, entstand der Eindruck, sie würde überhaupt nicht mehr atmen. Erschrocken lief die Haushälterin zu ihr und berührte ihren Arm. »Prinzessin...«
    Nur dieses Wort. Aber es genügte. Kassandra zuckte zusammen, blinzelte ein paar Mal und holte tief Luft. Nach einem raschen Blick in Joannas Richtung lächelte sie. »Was haben Sie gesagt?«
    »Was ich sagte...?« Das war völlig belanglos. Für die Prophezeiung der Prinzessin interessierte sich Joanna viel mehr. »Wieso glauben Sie, ich würde sehr lange hier bleiben?«
    Unbehaglich wandte sich die Prinzessin ab. »Habe ich das angekündigt? Meine Fantasie muss mit mir durchgegangen sein. Verzeihen Sie.« Ihre Stimme klang müde, und sie war unnatürlich blass geworden.
    »Jetzt sollten Sie sich ausruhen, Herrin«, entschied Sida. Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sie sich zu Joanna. »Wenn Sie mich entschuldigen, Lady - ich werde die Prinzessin in ihre Suite begleiten. Bald komme ich wieder zu Ihnen.«
    Nur mühsam brachte Kassandra ein entschuldigendes Lächeln zustande. In ihrer Seele schien aller Glanz zu erlöschen. Widerstandslos ließ sie sich von Sida zum Torbogen führen. Joanna wartete, bis die Schritte verhallten, dann ging sie zu dem Vorhang, der den Torbogen verhüllte, und spähte dahinter. Ein Korridor verlor sich in der Ferne, von hohen Fenstern in den Steinmauern erhellt. Offenbar war dieser lange Flur für den privaten Gebrauch der Bewohner bestimmt, abgeschieden von den offiziellen Räumen des Palasts. Auch in englischen Herrschaftshäusern gab es solche Gänge, auf Hawkforte sogar mehrere. Doch sie wurden von Türen verschlossen, nicht von schlichten Vorhängen. Die würden kaum jemanden zurückhalten, der entschlossen wäre, den persönlichen Lebensbereich anderer Menschen auszuspionieren. Sonderbar - eine öffentliche Privatsphäre - für Joanna war das ein völlig neuer Gedanke, der ihr einen erstaunlichen Einblick in das Wesen der akoranischen Gesellschaft bot. Hier achtete man nicht auf Geheimhaltung, sondern vertraute einfach nur auf gute Manieren, die es erforderten, das Privatleben öffentlicher Persönlichkeiten zu respektieren.
    Zweifellos eine interessante Erkenntnis. Aber längst nicht so erstaunlich wie das Verhalten der Prinzessin. Kassandra. Welche Eltern, die griechische Sagen kannten, würden ein Kind nach der unglücklichen Prinzessin von Troja nennen, die dazu verdammt war, die Zukunft vorauszusehen, und deren Prophezeiungen niemand Glauben schenkte?
    Oder hatte der Name für die Akoraner eine andere Bedeutung? Vielleicht hing es mit den verschiedenen historischen und traditionellen Schichten ihrer alten Kultur zusammen, die Kassandra erwähnt hatte. Darüber dachte Joanna immer noch nach, als Sida zurückkehrte. »Geht es der Prinzessin gut?«, fragte sie die Haushälterin.
    »Sie ruht sich aus, Lady. Wenn Sie es erlauben - ich muss noch ein paar Maße für Ihre Kleider nehmen.«
    »Neigt sie zu solchen Anfällen?«
    Suchend schaute sich Sida um und schüttelte den Kopf. »Sie ist kerngesund, Lady«, erwiderte sie und hob einen zusammengefalteten Stoff hoch. »Wo habe ich bloß...«
    »Was suchen Sie?«
    »Mein Maßband. Ich muss es hier irgendwo hingelegt haben. Da bin ich mir ganz sicher.«
    Das Maßband. So ähnlich wie jenes, das die Schneiderin auf Hawkforte benutzte. Etwa einen Yard lang, in heller Farbe, mit dunkler Maßeinteilung, damit man die Ziffern gut lesen konnte...
    »Unter der bernsteingelben Seide«, sagte Joanna. »Dort drüben, auf dem Stuhl.«
    Sichtlich erleichtert ergriff Sida das Band. Die restlichen Messungen nahm sie flink und umsichtig vor, aber ihre Gedanken schienen woandershin zu schweifen. Wenn es Joanna auch drängte, weitere Fragen nach Kassandras eigenartiger Weissagung zu stellen - sie wusste, dass die Haushälterin nicht antworten würde. Und so schwieg

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