Insel meines Herzens
zu binden? Nun erschien ihm jede dieser Möglichkeiten besser als der Entschluss, den er letzten Endes gefasst hatte.
Briannas vernichtender Blick...
Oh ja, du bist der Erwählte. Daran zweifle ich nicht mehr. Aber vielleicht solltest du dich fragen, ob du immer noch ein Mensch bist.
Wie schrecklich Recht sie hatte, wusste sie nicht einmal.
In Stein, Lehm und Metall hatte er versucht, seine Menschlichkeit zu wahren, trotz eines Erlebnisses, das – mochte es auch heilig und mystisch gewesen sein – ihn von allen seinen Mitbürgern trennte. Seine Menschlichkeit hatte er erst in den Armen einer Frau wiedergefunden, die jetzt schlief, ohne seine Gegenwart zu ahnen.
Er kniete neben dem Bett nieder und betrachtete sie. Das Gesicht ihm zugewandt, die Lippen leicht geöffnet, atmete sie langsam und tief. Am liebsten hätte er sie an sich gezogen und getröstet. Doch er war ohnehin schon ein unbefugter Eindringling. Noch weiter durfte er nicht gehen, solange jene drückende Barriere zwischen ihnen stand.
Trotzdem war die Versuchung, Brianna zu berühren, unwiderstehlich. Er streckte eine Hand aus. Behutsam strich er eine rötliche Haarsträhne aus dem Gesicht.
Sie zeigte keine Regung. Offenbar spürte sie seine Anwesenheit nicht.
Gut, dachte er und blieb noch eine Weile bei ihr, bevor er aufstand. Lautlos verließ er das Zimmer, nachdem er sie zugedeckt und sich vergewissert hatte, dass die Fensterläden geschlossen waren.
Für die Jahreszeit war die Nacht zu kalt. Zudem kam ein frischer Wind auf.
Müde, mit schwerfälligen Schritten, folgte er dem Korridor. Als er um eine Ecke bog, sah er seine Schwester auf ihn zukommen.
»Ich hatte gehofft, dich zu finden.« Liebevoll strich Kassandra über seinen Arm und küsste seine Wange. »Du siehst grässlich aus.«
»Ehrlich wie eh und je«, seufzte er und lächelte gequält. »Ich brauche nur ein paar Stunden Schlaf. Dann bin ich wieder ganz der Alte.«
Ohne ihre Skepsis zu verhehlen, musterte sie ihn. »Wirklich? Ich fürchte, das wird nicht genügen. Wie geht es Brianna?«
»Sie schläft.« Entschlossen ging er weiter, und sie blieb an seiner Seite. »Wo ist Royce?«, fragte er. »Eigentlich dachte ich, er würde dir nicht erlauben, in deinem Zustand allein umherzuwandern.«
Die Stirn gerunzelt, blickte sie auf ihren gewölbten Bauch hinab. »Mein Gemahl glaubt, ich würde jeden Moment platzen. Sosehr ich ihn auch liebe – manchmal treibt er mich zum Wahnsinn.«
»Alles würde er für dich tun.«
Dann nahmen ihre Augen einen sanfteren Ausdruck an. »Ja, das weiß ich. Und ich bin die glücklichste Frau auf Erden. Trotzdem wollte ich dich sehen. Dieser Tag war schwierig. Daran wird sich in nächster Zeit nichts ändern.«
»Morgen wird Deilos vernommen, vor zahlreichen Prozessbesuchern.«
Endlich würde der Mann, der ihn beinahe getötet und mehrere andere Verbrechen begangen hatte, vor Gericht stehen. Atreus rechnete mit Problemen. Doch das Verfahren war unumgänglich, weil es dem Wohl Akoras diente. Erst wenn die Gerechtigkeit gesiegt hatte, würde sich das Volk wieder sicher fühlen.
»An alles, was geschehen ist, wirst du dich morgen erinnern«, meinte Kassandra leise, »und einiges in Gedanken sogar noch einmal erleben. Selbstverständlich werden wir dir beistehen. Aber letzten Endes musst du das alles allein ertragen.«
»Inzwischen habe ich mich mit meiner Einsamkeit abgefunden.«
Sie seufzte, aber sie widersprach ihm nicht. In der Atreiden-Familie wurde von jeher das Gesetz befolgt, ein Vanax müsste ein gesondertes Leben führen. Doch dann musste sie ganz einfach in Worte fassen, was sie dachte. »Eigentlich hatte – nein, wir hatten gehofft, das würde sich jetzt ändern.«
Abrupt blieb Atreus stehen. Ein plötzlicher Verdacht beunruhigte ihn. »Hat Mutter dich zu mir geschickt?«
»Nein«, beteuerte Kassandra hastig und lachte. »Sie ist mit Amelia und heißer Freude auf ihr neues Enkelkind beschäftigt. Allerdings darfst du nicht erwarten, dass sie damit für immer ausgelastet wird.«
Nein, wirklich nicht. Sosehr er seine Mutter auch liebte – es irritierte ihn, wie hartnäckig sie ihn seit Jahren zu einer Heirat drängte. Seit seine Geschwister im Ehehafen gelandet waren, verstärkte Phaedra ihre Bemühungen. Und falls sie irgendwie herausgefunden hatte, die Frau, vom Schicksal zur Braut des Vanax erkoren, würde ihm ihr Jawort verweigern...
»Wenn du mir deine Diskretion versprechen würdest, wäre ich sehr dankbar,
Weitere Kostenlose Bücher