Insel meines Herzens
seine Hand, und die Klinge landete klirrend auf dem Boden. Unbewaffnet stand er vor Deilos, nicht einmal von einer Rüstung geschützt.
Deilos lachte triumphierend. »Ergreift ihn!«, befahl er seinen Männern.
In ihrem blinden Gehorsam wollten sie sich auf den Vanax stürzen. Aber bevor sie ihn erreichten, tauchten seine eigenen Krieger mit gezückten Schwertern aus dem Dunkel auf. Wenn sich Deilos’ Leute auch in der Überzahl befanden – an Geschicklichkeit und Kampfkraft waren sie Atreus’ Truppe weit unterlegen. Schon bald gerieten sie in arge Bedrängnis.
Von heißem Zorn erfüllt, heulte Deilos auf, wich zurück und zog Brianna mit sich. Es gab nur einen einzigen Weg. Und der führte direkt ins Feuer. Notgedrungen blieb er stehen und schrie: »Ruf deine Männer zurück, Atreus!«
»Damit sie sehen, wie du dich hinter einer Frau verschanzt?« Atreus näherte sich – waffenlos, scheinbar unbesorgt, ohne zu beachten, wohin er trat. Doch der Boden hielt seinen Schritten stand, das Feuer verschonte ihn. »Lass sie los, Deilos!«
»Um ihr das Leben zu schenken, während ich sterbe? Ganz sicher nicht!«
Das Messer berührte Briannas Hals. Die Augen geschlossen, begann sie lautlos zu beten.
»Nein!«
Eine andere Stimme, die nicht Atreus gehörte... Plötzlich war sie frei, Deilos entrissen. Sie verlor ihr Gleichgewicht und stürzte, rutschte in die Richtung des Feuers. In letzter Sekunde krallte sie ihre Finger ins Erdreich und hielt sich fest.
Aus Deilos’ Kehle rang sich ein heiserer Schrei, und Brianna sah ihn auf dem Rücken liegen, unter dem Gewicht ihres Bruders. Obwohl Polonus sein Schwert verloren hatte, wirkte er fest entschlossen, den Mann zu töten, dem er so bereitwillig in die Hölle gefolgt war.
»Nein, du wirst meine Schwester nicht ermorden!« Bei jedem Wort rammte er Deilos’ Kopf gegen den steinigen Boden.
Als Brianna aufstand, stürmte Atreus zu den Männern. Doch er erreichte sie nicht rechtzeitig. Kraftvoll bäumte sich Deilos auf, schleuderte Polonus von seinem Körper und stieß ihm das Messer in die Brust.
»Oh Polonus!« In Briannas halb ersticktem Ruf lag die ganze Liebe, die sie für ihren armen, irregeführten Bruder empfand. Sie lief zu ihm, ignorierte Deilos’ gefährliche Nähe, nur von einem einzigen Gedanken beseelt – dem Blut Einhalt zu gebieten, das in die Erde floss.
Aus Polonus’ Brust ragte der Messergriff. Ungläubig starrte er das glänzende Holz an, den dunklen Fleck, der seine Tunika färbte.
»Brianna...«, hauchte er.
Alles wollte sie tun, um ihm zu helfen – trotz seiner Verbrechen. Aber in ihrer Verzweiflung beging sie den folgenschweren Fehler, Deilos zu vergessen. Er bewegte sich so schnell, dass es fast übermenschlich erschien. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er sie wieder gepackt.
»Zurück, Atreus!«, forderte er. »Um sie zu töten, brauche ich kein Messer. Bevor du hoffen darfst, sie zu erreichen, wird sie im Flammenmeer versinken.«
Atreus hielt inne. Unverwandt schaute er in Briannas Augen. Seine Krieger bekämpften Deilos’ Männer, die immer noch lebten.
Zu Briannas Füßen krümmte sich Polonus. Ein Feuerstrahl stieg auf...
... und beugte sich wie ein Weizenhalm im Wind.
In ihrer Brust stieg es empor. Und zum ersten Mal in ihrem Dasein hieß sie die Gabe willkommen, den Fluch ihrer Kindheit. Das Grauen, das sie gnadenlos verfolgt hatte... Glorreich und triumphierend kehrte es zurück aus einer unsichtbaren Welt, herbeigerufen in der Stunde ihrer schlimmsten Not.
»Der Wind...«, wisperte Brianna. Heulend wehte er durch die langen Höhlengänge, aus den Ritzen des schwelenden Vulkans.
Vor dem Wind, dem Atem der Erde, neigten sich die Flammen, Funken bildeten Wirbelstürme, die wie Engelsflügel über der riesigen Senke kreisten.
Brianna...
Sie sah, wie Atreus ihren Namen rief. Doch sie vernahm seine Stimme nicht, hörte nur den Wind – ringsum und in ihrem Innern. Ihr Haar, das hinter ihr flatterte, verwandelte sich in loderndes Feuer, die Tunika wurde an ihren Körper gepresst, und sie konnte kaum atmen.
Nur noch wenige Sekunden – und der Wind würde sie erfassen.
Lass dich fallen, Brianna! Der Mann, den sie über alles liebte, sprach in ihrem Geist und in ihrem Herzen.
Sehnsüchtig streckte sie eine Hand aus, um ihn zu berühren, nur noch ein einziges Mal, ein letztes Mal...
Lass dich fallen!
Der Befehl, reiner Liebe entsprungen, erreichte Brianna über die tosende Barriere des Windes hinweg und drang in die
Weitere Kostenlose Bücher