Insel meines Herzens
Atreus: »Wenn deine Kekse so gut duften wie du, werde ich sie ganz bestimmt kosten.«
Danach fiel es ihr noch schwerer, ihre Pflichten zu erfüllen. Trotzdem bemühte sie sich, Joanna und Kassandra bei all den Vorbereitungen für den Abend zu unterstützen, bevor sie in ihr Zimmer hinaufeilte, wo sie ein Bad nahm und ein festliches Kleid anzog.
Als sie die Treppe hinabstieg, traf sie nur Atreus in der Halle an. Er stand vor dem Feuer, einen Arm auf dem Kaminsims, anscheinend in Gedanken verloren. Doch er musste ihre Schritte gehört haben, denn er wandte sich zu ihr.
»Wo sind die anderen?«, fragte sie. Inständig hoffte sie, er würde ihr nicht ansehen, wie tief er sie beeindruckte. Dem Anlass entsprechend war er formell gekleidet, in jenem englischen Stil, der zur Jahreszeit passte. Nur die goldene Stickerei auf der Weste milderte die strenge Eleganz ein wenig. Sogar in einem so weitläufigen Raum wie der Halle von Hawkforte wirkte er sehr groß – und sehr gebieterisch.
So wie sie ihn, musterte er auch sie. Nun könnte er erzählen, im Geist männlicher Solidarität hätten Alex und Royce versprochen, ihre Ehefrauen zu beschäftigen. Dadurch würde er möglichst viel Zeit allein mit Brianna verbringen, die er neuerdings ständig vergeblich gesucht hatte, weil sie bei den Hollisters gewesen war. Und er könnte ergänzen, solche Intrigen seien überflüssig, da die Damen ohnehin zu Hinterlist und Tücke neigen würden.
Stattdessen sagte er: »Du bist so schön.«
Normalerweise milchweiß, färbte sich ihr Gesicht rosig. Sie trug ein Kleid aus blauer Seide. Um die Taille hatte sie eine weiße Satinschärpe geschlungen, mit Stechpalmenzweigen bestickt. Das Haar fiel offen auf ihre Schultern. Weder am Hals noch an den Ohren oder Handgelenken sah er Juwelen funkeln.
»Danke«, antwortete sie und schaute zur Treppe. Als noch immer niemand erschien, lächelte sie unsicher. »Sind die Dekorationen nicht wunderschön?«
»Sehr festlich. Komm zu mir.«
»Wie bitte?«
»Komm zu mir.« Doch sie zögerte immer noch, und er verkündete in sanftem Ton: »Ich habe etwas für dich.«
»Oh – ich dachte, wir würden die Geschenke erst nach dem Dinner austauschen.«
»Ja, aber das hier möchte ich dir geben, solange wir allein sind.« Er griff in die Tasche seines Gehrocks und zog eine flache hölzerne Kassette mit Perlenintarsien hervor. »Wenn du das heute Abend anlegst, würde ich mich sehr freuen.«
Immer noch zögernd trat sie langsam näher und nahm das Kästchen entgegen. Bevor sie den Deckel öffnete, begegnete sie Atreus’ Blick. Und dann starrte sie das Geschenk an. »Oh...«
In der Kassette offenbarte sich der Himmel, oder zumindest ein Teil davon, um die Mittagsstunde auf die Erde herabgeholt, zum Zeitpunkt der intensivsten Farbe. Das Schmuckstück schien von innen heraus zu glühen, wie von eigenem Leben erfüllt, umkränzt von gewellten, sonnengoldenen Strahlen...
»Die Träne des Himmels«, wisperte Brianna – unfähig, ihr Staunen zu verbergen. Davon hatte sie natürlich gehört. Der kostbare Anhänger, ein Saphir in Gold gefasst, war berühmt auf Akora. Einer Legende zufolge hatte jemand den Edelstein vor vielen Jahrhunderten in den Höhlen unter dem königlichen Palast gefunden. Von Meisterhand zu einem prachtvollen Juwel geformt, pflegte ihn eine Atreidengeneration an die nächste weiterzugeben.
Was dachte sich Atreus dabei? Wie konnte er ihr einen solchen Schatz überreichen? »Nein – das darf ich nicht annehmen«, stammelte Brianna und legte das Kästchen in seine Hand zurück.
Und doch – sie wusste es. Irgendwo in ihrem Herzen verwahrte sie bereits die Erkenntnis, die alles ändern würde.
»Warum nicht?«, fragte er unbeirrt. »Nur eins bedauere ich – der Saphir passt nicht zu deinen Augen, aber immerhin zu deinem Kleid.«
Offensichtlich neckte er sie – typisch für einen Mann, der eine Frau beruhigen will. Oder versuchte er sie von einem ernsthafteren Thema abzulenken?
»Niemals würdest du mir dieses Geschenk aus so frivolen Gründen geben«, erwiderte sie energisch. »Das wissen wir beide.«
»Frivol? Dieses Wort höre ich nur selten. Und schon gar nicht, wenn es mich betrifft.«
»Nun, ich nannte nicht dich frivol...«
»Und wenn ich’s wäre? Würde dich das dermaßen erschrecken? Irgendwie finde ich den Gedanken sogar verlockend.«
Sie würde nicht lächeln. Ganz sicher nicht. Er betrachtete sie mit so unverhohlenem Amüsement, dass ihre Verwirrung wuchs. »Bitte,
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