Insel meines Herzens
stammelte sie und schüttelte den Kopf. Versuchte sie Nebelwolken aus ihrem Gehirn zu vertreiben? »Nicht so wichtig. Entschuldige mich bitte, ich möchte wieder ins Bett...« Die Hand am Knauf der Bibliothekstür, drehte sie sich noch einmal zu Atreus um. »Soll ich dir die Träne des Himmels jetzt gleich oder morgen zurückgeben?«
»Überhaupt nicht, weil du sie tragen wirst – zum Zeichen unserer Verlobung.«
Er sah sie erschauern, ihre grünen Augen verdunkelten sich. »Unmöglich – nach unserem Streit...«
»Müsste ich deshalb auf unsere Heirat verzichten? Ja, vielleicht wäre das ratsam.« Und dann begann er zu lachen, was Brianna und ihn selbst gleichermaßen überraschte. »Offenbar bin ich nicht so vernünftig, wie ich dachte.«
Obwohl sie die Tür geöffnet hatte, zögerte sie, die Schwelle zu überqueren. »Hast du wirklich geglaubt, du wärst vernünftig? Du – ein Künstler...«
»... der von Leidenschaften beherrscht wird? Ich bin ein Mann. Und ich ordne die Leidenschaft dem Verstand unter. Zumindest gelingt mir das fast immer.« Durch den Schatten außerhalb des Feuerscheins ging er auf sie zu, ließ ihr keine Zeit für klare Gedanken. »Legen wir den Streit bei, in einem vernünftigen Gespräch.«
Abwehrend hob sie eine Hand. »Fass mich nicht an.«
»Warum nicht? Habe ich dir wehgetan?«
»Nein, niemals. Aber – wenn du mich berührst, kann ich nicht denken.«
»Ist das ein Versuch, mich zu entmutigen? Begleite mich nach Akora.«
»Zu welchem Zweck?«
»Du hast gesagt, du liebst dieses Land. Dort werden deine Freunde vor Gericht gestellt. Willst du nicht mit eigenen Augen beobachten, wie ihnen Gerechtigkeit widerfährt?« Er trat noch näher, und die Wärme seines Körpers beschwor erneut jene Gefühle herauf, die er in ihr zu entfesseln vermochte. »Komm mit mir, Brianna. Sei mein Gewissen, falls du es nötig findest.«
»Das brauchst du nicht.«
»Wirklich nicht? Weißt du, welche Erinnerungen mich verfolgen? An die heftigen Schmerzen, die mich verzehrten – die Sehnsucht nach dem Tod, um die Pein zu beenden – das lockende Jenseits, die Mühsal meiner Rückkehr in die irdische Welt... Und die Angst, vergiss nicht die Angst, denn ich werde mich stets darauf besinnen. Diese Befürchtung, nicht zu genesen, kein Mann mehr zu sein, belastet von einem Gehirnschaden oder Gedächtnislücken... In manchen Nächten erwache ich immer noch aus solchen Albträumen.«
»Oh Atreus...« Ihre Stimme drohte zu brechen. Blindlings tastete sie nach seiner Hand. »Ich war dabei. Was du erlitten hast, weiß ich.«
»Trotzdem muss ich ohne Rücksicht auf persönliche Verluste über die Menschen zu Gericht sitzen, die vielleicht eine Mitschuld an meinen Qualen tragen. Komm mit mir.«
»Ich gehöre zu Helios.«
»Nein, du gehörst dir selbst und Akora und möglicherweise – zu mir.« Behutsam, aber entschlossen, zog er sie an sich. »Was bekümmert dich? Warum hat dich der Wind so sehr erschreckt?«
Ohne zu überlegen, hatte er die Frage ausgesprochen. Die Wangen aschfahl, erschauerte Brianna – nicht nur erschrocken , sondern unter dem Einfluss eines panischen Entsetzens.
»Brianna...«
Hastig ließ sie seine Hand los und wandte sich zur offenen Tür. Wie in einer verlangsamten Szene sah er ihr seidiges Haar hinter ihr her flattern, als sie die Flucht ergriff.
»Halt, Brianna!«
Er war ein Krieger – wenn es sein musste, ein Jäger, zu beiden Aktivitäten hervorragend ausgebildet, in beiden geübt. Und er war ein Mann, erfüllt von seiner heißen Begierde nach dieser Frau, getrieben von uralten Instinkten.
Am Fuß der Treppe holte er sie ein. Unverhohlenes Grauen flackerte in ihren weit aufgerissenen Augen. Falls sie erwog, sich zu wehren, bot er ihr keine Gelegenheit dazu. Stattdessen hob er sie hoch, presste sie an seine Brust und nahm immer zwei Stufen auf einmal.
Kein Mann darf eine Frau jemals verletzen.
Verdammt noch mal, er würde ihr nicht wehtun.
Er würde sie besitzen – und sie ihn. Mit vereinten Kräften würden sie über die Dämonen triumphieren, die sie beide bedrängten.
Wo ihr Zimmer lag, wusste er. Eines Tages war er daran vorbeigegangen, zusammen mit Royce, auf einer Besichtigungstour durch das Schloss Hawkforte. An einem jener endlosen Tage, die Brianna in Holyhood verbracht hatte...
Mit einer Fußspitze stieß er die Tür auf, sah das Bett, in Mondlicht getaucht, die zerwühlten Decken zurückgeschlagen. Anscheinend war sie in aller Eile aufgestanden.
Er
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