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Insel meines Herzens

Insel meines Herzens

Titel: Insel meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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begann sie auf ihrem Liebsten zu reiten.
    »Bist du wach?«, fragte sie.
    Mittlerweile war es viel später. Wie spät, wusste er nicht. In den Höhlen folgte die Zeit anderen Gesetzen.
    Seufzend umschlang er Brianna noch fester. »Ja, trotz meiner Entkräftung.«
    »Erzählst du mir etwas mehr über das Ritual?«, bat sie ungeduldig. An Schlaf war nicht mehr zu denken, weil sie das Geheimnis endlich ergründen wollte.
    »Ach – das...« Dieses wichtigste Ereignis seines Lebens hatte er völlig vergessen. Offensichtlich konnte man den Einfluss einer begehrenswerten Frau gar nicht überschätzen. »Es widerstrebte mir immer noch, in den Palast zurückzukehren. Und so ging ich dort hinein.« Er zeigte auf den kleinen Tempel.
    »Was ist da drin?«
    Atreus stand auf – erstaunlicherweise, ohne zu schwanken – und reichte ihr eine Hand. »Komm, ich zeige es dir.«
    Seite an Seite betraten sie den Tempel, den zahllose winzige leuchtende Kreaturen bevölkerten. Das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach, war das Rieseln des Wassers.
    »Schau doch!« Atreus zog Brianna näher zu einer Wand.
    So wie in dem Raum voller Statuen betrachtete sie ein Gesicht. Aber dieses war von Moos überwachsen, unermesslich alt, mit einem kaum erkennbaren Ausdruck, der trotz seiner Milde auch Stärke erahnen ließ. Aus dem Fels rings um die abgeschliffenen Züge floss Wasser in stetigem Strom.
    »Davon hast du sicher gehört«, meinte Atreus.
    »Tatsächlich? Was...?« Statt die Frage zu vollenden, bückte sie sich, schöpfte eine Hand voll Wasser und kostete es. Da erinnerte sie sich und lächelte. »Das Wasser der Vereinigung?«
    Der Vanax nickte. »Von unzähligen Paaren in der Hochzeitsnacht genossen. Angeblich übt es eine bemerkenswerte, ermutigende Wirkung aus.«
    »Dann sollten wir es nicht trinken.« Brianna ließ ihre Hand sinken.
    Verwundert hob er die Brauen. »Warum nicht?«
    »Wenn wir noch mehr ermutigt werden, könnte uns das umbringen.«
    Atreus’ Gelächter füllte den kleinen Tempel. »Wahrscheinlich ist es nur eine Legende. Dieses Wasser habe ich getrunken, ohne besondere sinnliche Leidenschaft zu verspüren.«
    »Am Tag deiner Wahl warst du also hier?«
    »Ja, nicht zum ersten Mal. Dies war – und ist – einer meiner Lieblingsplätze. Da drüben setzte ich mich hin.«
    »Und dann?«
    Er zögerte. Doch nun waren die Würfel gefallen, und es gab kein Zurück. »Ich lehnte mich an die Wand, die sich warm anfühlte.«
    Das probierte auch Brianna aus. »Jetzt ist sie kalt.«
    »Erwartungsgemäß. Aber an jenem Tag erwärmte sie sich. Nach einer Weile fragte ich mich, warum? Der ganze Tempel war warm, sogar heiß. Natürlich dachte ich, irgendetwas würde nicht stimmen und ich müsste gehen. Ich versuchte aufzustehen, was mir nicht gelang. Und da explodierte der Vulkan.«
    »Was? Der Vulkan?«
    »Ich fühlte, wie es geschah – wie sich die Erde öffnete, wie ein gewaltiger Lavastrom herausquoll. Tosend schoss er in die Luft, riss die Erde noch weiter entzwei, und ich hörte berstendes Gestein schreien, Wasser kreischen, sah Tempel in sich zusammenstürzen und Menschen sterben. So etwas Grausiges hatte ich nie zuvor erlebt.« Er sprach in ruhigem, sogar beiläufigem Ton. In den Jahren nach dem außergewöhnlichen Ereignis hatte er sich damit abgefunden und sein Schicksal akzeptiert.
    Aber für Brianna war es anders. »Offenbar hattest du eine Halluzination.«
    »Nein. Eine wirkliche Erfahrung war es nicht, sondern etwas anderes – jenseits meines Bewusstseins. Ich war nur ein winziger Punkt, der daneben saß.«
    Zögernd fragte sie: »Bedeutet das – an diesem Ort werden Erinnerungen an die Vergangenheit festgehalten?«
    Atreus nickte. »Aber nicht so, wie an manchen Orten die Echos früherer Zeiten umhergeistern. Hier existieren  lebendige Erinnerungen.«
    Das verstand Brianna nicht, und er beobachtete, wie sie sich um eine klare Erkenntnis bemühte. Sie war klug, und sie hatte eine akoranische Ausbildung genossen. Einige Minuten lang wartete er, und als er den Augenblick für richtig hielt, ergriff er ihre Hand. Dann legte er seine anderen Finger gespreizt auf die Tempelwand neben dem steinernen Gesicht. »Fürchte dich nicht.«
    Er holte tief Luft und folgte dem Atem in sein Inneres, suchte die Stimme, die er dort finden würde. Das wusste er. Ebenso, wie er wusste, was er dahinter entdecken würde, hier an diesem Ort. Die unendliche Größe, die er nur ganz leicht streifte, die Berührung einer unfassbaren

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