Insel meines Herzens
es einem Menschen gestattet ist, der ihm nicht unterzogen wird.«
Auch sie hatte ihm ihr Geheimnis anvertraut. Und jetzt wollte er mit ihr teilen, was ihn von allen Akoranern unterschied. Gerührt trat sie näher zu ihm. »Ich will mein Bestes tun, um all diese Dinge zu verstehen, Atreus, um meine Skepsis zu überwinden und in deinem Glauben eine Religion zu erkennen.«
Vielleicht lag es am eigentümlichen Licht – jedenfalls schien er belustigt zu lächeln. »Das weiß ich zu schätzen. Natürlich hängt es mit unseren Mythen zusammen, mit dem spirituellen Leben von Akora. Das wusste ich, als ich mich bereit erklärte, die Prozedur auf mich zu nehmen. Aber in Wirklichkeit hatte ich keine Ahnung von der Vielfalt, die sich damit verbindet.«
»Hat dir dein Großvater vor seinem Tod gar nichts erzählt?«
»Kein Wort«, erwiderte er, setzte sich an den Strand und zog Brianna mit sich hinab. Weil sich der Sand erstaunlich warm anfühlte, schlüpfte sie aus ihren Sandalen und krümmte die Zehen. »Am Abend des großen Tages verabschiedete ich mich von meinen Eltern, Geschwistern und einigen guten Freunden. Wie du dir vielleicht denken kannst, wusste keiner von uns, ob ich lebend zurückkehren würde. Jene Nacht sollte ich in den Höhlen verbringen. Also kam ich hier herab.«
»Was geschah?«
»Nichts.«
»Heißt das etwa – kein Ritus...?« Würde Atreus den Verdacht bestätigen, den sie stets gehegt hatte? Wenn ja, würde sie keine Genugtuung, sondern Enttäuschung empfinden. Unglaublich – wann hatten sich ihre Anschauungen so grundlegend geändert? Während der Stunden, die sie in seinen Armen gelegen hatte, erwärmt von seiner Kraft und seinem Lächeln?
»Gar nichts geschah«, fuhr er fort, »eine halbe Ewigkeit lang. Ich wanderte umher, und schließlich gelangte ich zu diesem Strand. Nach all meinen hochgespannten Erwartungen war ich beunruhigt, weil sich nichts ereignete. Ich war verwirrt und fürchtete, ich hätte irgendetwas falsch gemacht.« In seinem Gelächter schwangen die Erinnerungen an jenen idealistischen, unsicheren jungen Mann mit. »Vielleicht war ich so unwichtig, dass ich nicht einmal getötet wurde. Ich würde in den Palast zurückkehren und irgendwie erklären, warum ich immer noch am Leben, aber nicht der Erwählte sei.«
»Wie unangenehm für dich«, murmelte Brianna.
»So sah es aus. Noch mehr Zeit verstrich, nichts passierte, und ich begann mich zu ärgern. Da ich schon einmal hier war, beschloss ich, die Gelegenheit zu nutzen.« Atreus zeigte auf den mineralischen Strom. »Ein oder zwei Mal badete ich darin, und das fand ich sehr erfrischend. Willst du’s versuchen?«
»Jetzt?«
»Warum nicht? Damals tat ich es, und dieses Erlebnis sollst du mit mir teilen, so intensiv wie möglich.«
Doch er zwang sie zu nichts und überließ ihr die Entscheidung, stand auf und legte seinen Faltenrock ab. Als er ins Wasser watete, gewährte er ihr den verführerischen Anblick seines breiten, muskulösen Rückens und der schmalen Hüften. Vor allem seine festen Hinterbacken fand sie sehr verlockend. Auch sie erhob sich, zog das Hemd über den Kopf und folgte ihm. Da drehte er sich um. Voller Bewunderung ließ er seinen Blick über ihren nackten Körper wandern. Den Kopf hoch erhoben versuchte sie, nicht auf die Wellen zu starren, die direkt unterhalb seines Nabels plätscherten.
»Oh – ist das heiß...«
» Zu heiß?« Atreus umschlang ihre Taille und streichelte ihre zarte Haut.
»Nein – sehr angenehm. Nur anfangs hat’s mich ein bisschen erschreckt.« Wie so vieles in letzter Zeit...
»Entspann dich, diese heiße Quelle wirkt angeblich beruhigend.«
Während sie ihn zweifelnd anschaute, entfernte er das Lederband aus seinem Haar. Dann hob er ihre seidigen Locken hoch. Geschickt band er sie auf ihrem Oberkopf zusammen. Die plötzliche Kälte an ihrem Nacken erzeugte eine seltsame Erregung, winzige Härchen sträubten sich, und sie erschauerte wohlig. Und dann hatte sie das beklemmende Gefühl, unsichtbare Augen würden sie beobachten. »Ist da jemand?«
»Wieso glaubst du das?«
»Keine Ahnung...« Natürlich war da niemand, kein Geräusch, keine Bewegung, und sie kam sich ziemlich albern vor. »Ich dachte nur... Nicht so wichtig.«
Jedenfalls war der flüchtige Eindruck verflogen, und sie fühlte sich wieder allein mit Atreus. In dieser unterirdischen Welt schienen nur sie beide zu existieren. Einerseits fand sie das himmlisch, andererseits geriet sie in Verlegenheit.
»Wie
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