Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
Lebensumstände dank einer glücklichen Fügung zum Besseren gewandt. Lasst uns die Vorzüge dieser Veränderung nutzen. Genießen wir die Zeit des Umwerbens, von dem Ihr selbst so vorteilhaft gesprochen habt. Lernen wir uns besser kennen. Auf diese Weise werdet Ihr auch irgendwann feststellen können, ob meine ›starrsinnige‹ Art Euch überhaupt genehm ist.«
»Bethia, ich habe mich falsch ausgedrückt. Ich war nicht ich selbst an jenem Tag. Ich …«
»Samuel, ich bitte nur um einen kleinen zeitlichen Aufschub. Lasst uns die Zeit nutzen, die uns trotz der Ansprüche, die Eure gegenwärtige Anstellung an Euch stellt, gegeben ist. Ich spreche nur von wenigen Monaten. Während dieser Zeit plane ich, hier in Cambridge zu bleiben, damit wir uns noch eine Weile auf die Probe stellen können, ohne Verpflichtungen von beiden Seiten. Lassen wir mindestens ein halbes Jahr ins Land gehen. Wenn, und nur wenn, Ihr nach dieser Zeit noch immer eine Verlobung eingehen wollt – und seid gewiss, dass ich nichts von Euch erwarte und Euch in jeder Hinsicht als ungebunden betrachte –, so bittet mich dann erneut um meine Hand. Bis dahin werde ich Euch eine Antwort mit Sinn und Verstand und auch aus ganzem Herzen geben können.«
»Mir kann dieser Plan nicht gefallen, selbst wenn mir klar ist, dass ich ihn selber aufs Tapet gebracht habe, durch mein rüpelhaftes Verhalten bezüglich dieser Wil … dieser jungen Frau.«
»Das stimmt nicht.« Ich holte tief Luft. Wir hatten uns nicht einmal die Mühe gemacht, uns zu setzen, sondern standen immer noch am Eingang der Bibliothek. Ich wandte mich ein wenig zur Seite und fuhr mit der Hand über den Rücken des nächstbesten Buches. »Ihr zwingt mich, etwas zu sagen, was ich eigentlich nicht wollte. Aber ich will von Anfang an aufrichtig zu Euch sein. Eine Ehe, die nicht auf solch festem Grund gebaut ist, ist wie ein Gebäude auf Sand. Ihr mögt das vielleicht nicht hören wollen, aber es ist die Wahrheit. Ganz gleich, wie Ihr Euch mir gegenüber geäußert, mit welch zarten Worten Ihr Euren Antrag ummantelt hättet: Eine andere Antwort hätte ich Euch nicht gegeben, nachdem ich erst einmal meinen Indenturvertrag in Händen hielt.«
»Ach, wirklich?« Er versteifte sich. »Ehrlichkeit ist gewiss ein schöner Zug zwischen Mann und Frau. Etwas Takt wäre allerdings vielleicht auch erstrebenswert.«
Ich errötete. Er betrachtete seine Fingernägel. »Da meine Gefühle in dieser Sache offenbar nebensächlich sind, bleibt mir wohl nichts anderes übrig als zuzustimmen.«
»Denkt Ihr das wirklich? Dann kann ich mir das nur so erklären, dass Ihr mir nicht richtig zugehört habt. Lasst mich noch offener sein. Wären Eure Gefühle mir gleichgültig und würde ich sie nicht in gewisser Weise erwidern, dann wäre ich am Tage nach den Aufnahmeprüfungen an Bord des ersten Schiffes, das nach Süden fährt, und es wäre mir gleichgültig, ob ich noch jemals einen Fuß in diese stinkende Müllgrube von Stadt setze. Ich bleibe hier, weil ich an das Leben glaube, das wir hier miteinander führen könnten …« Ich schluckte. »Ich bleibe Euretwegen hier, Samuel.«
Da wandelte sich seine Miene. Seine gerunzelte Stirn wurde glatt, und seine Augen – diese ausdrucksvollen schwarzen Augen – blickten mich mit einer Mischung aus Leidenschaft und Zärtlichkeit an. Ein Satz aus einem der Gedichte von Anne Bradstreet kam mir in den Sinn: »Wenn jemals zwei eins waren, dann wir.« Auch sie musste diese Erfahrung gekannt haben: diese Begierde, die verrückt macht. War es denn falsch, ihr nachzugeben? In diesem Moment waren alle verstandesmäßigen Bedenken, die ich gehabt hatte, wie weggeblasen. In mir wallte das Verlangen auf, aus zweien eins zu machen, hier und jetzt, ganz gleich, welches der Gebote unseres Herrn ich damit brach. Schließlich hatte ich auch zuvor schon Gebote gebrochen, ja sogar das allerhöchste. In diesem Moment kamen mir alle Versuche, mich zu bessern, wie reine Launen vor. Ich verspürte die haltlose Freiheit eines Menschen, der jetzt schon zu den Verdammten gehört. Warum sollte ich also nicht noch eine weitere Sünde begehen? Eine, die viel weiter unten auf der Liste der Gebote stand, die Moses am Berg Sinai von Gott empfangen hatte?
Diesmal waren es meine Finger, die sich in sein Haar wühlten. Dann lagen seine Hände um meine Leibesmitte, und er hob mich zu sich empor.
XXI
Als der Tag der Aufnahmeprüfung näher rückte, rief mich Master Corlett in sein Arbeitszimmer und
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