Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
Eichenholz –, die sich für immer vor mir schließen würde. Es war die Tür zu einer Bibliothek. Die Tür, die sich für mich geöffnet hatte, nur einen Spaltbreit, an diesem Ort gelehrter Männer. Ich hatte keine genaue Vorstellung von dem, wie sich meine Zukunft darstellen würde, wenn ich Samuel Corlett heiratete. Ich wusste nur, was sein würde, wenn ich es nicht tat. Es würden keine lateinischen Sätze mehr flüsternd durch die Flure dringen, ich würde keine Gedichtbändchen mehr von großen Männern in langen Talaren bekommen, und auch rhetorische oder geistreiche Dispute würde es nicht mehr geben.
Und dieses Bild drängte sich mir wohl oder übel ebenfalls auf: begierige Lippen und der Druck von Händen. Doch es war nichts, was einen fruchtbaren Boden für ein vernünftiges Nachdenken über meine Zukunft bereitet hätte. Stattdessen kam die Erinnerung an jenen Moment unter den Apfelzweigen immer ungerufen. Dann musste ich mit dem aufhören, was ich gerade tat, und versuchen, mich zu sammeln, denn ich lernte gerade, dass mädchenhafte Schwärmerei eine Sache ist und das Verlangen einer Frau eine andere. Man kann durchaus Eros’ Flügelschlag spüren und in verbotenen Phantasien schwelgen, wenn man weiß, dass die Erfüllung dieser Träume in weiter Ferne liegt. Und es ist eine andere Sache, vor Lust zu brennen und sicher zu sein, nur ein Wink deiner Hand würde das Objekt deiner Begierden in Windeseile dazu bringen, sich vor dir auf die Knie zu werfen. Ich musste einen Kampf ausfechten, der meinen Seelenfrieden schwer in Gefahr brachte und ganz darauf ausgerichtet schien, mich in Richtung aller möglichen Verrücktheiten und Dummheiten zu lenken, wenn ich mich nicht aufs Bestimmteste um Disziplin bemühte. Hätte eine hastige Heirat mit Samuel Corlett zur Debatte gestanden, so hätte ich wohl eingewilligt, ganz gleich, welche Bedenken ich bei der Frage hegte, ob wir zueinander passten. Doch mich rettete die sichere Gewissheit, dass wir, selbst wenn ich seinen Antrag annahm, noch mindestens ein Jahr von dem sicheren Hafen eines ehelichen Lagers entfernt waren. Und eine Verlobung, vermutete ich, würde die Versuchung nur stärker, nicht schwächer werden lassen.
Es war kein Wort mehr zwischen uns gefallen seit jenem Tag unter dem Apfelbaum. Ich war nicht in der Lage gewesen, zu sprechen oder auch nur zu denken, so sehr war ich zum Spielball der Leidenschaft geworden, die er in mir geweckt hatte. Ich war weggelaufen, stumm wie ein Tier, und er, verblüfft durch seinen eigenen Mangel an Beherrschung, hatte mich gehen lassen. Viele Tage zogen ins Land, bevor wir wieder miteinander reden konnten, und ich hatte genügend Zeit gehabt, mir meine Antwort durch den Kopf gehen zu lassen. Unsere Unterredung, die etwas unbeholfen begann, fand erneut in der College-Bibliothek statt. Es war am Tage des Herrn, und wir würden kurz darauf für den Nachmittagsgottesdienst ins Versammlungshaus zurückkehren. Samuel hatte seinen Vater gebeten, schon vorauszugehen, und der Master, der spürte, wie sehr wir uns nach einem Gespräch unter vier Augen sehnten, hatte dies getan.
Zu dieser Zeit war das College menschenleer, weshalb die Situation – wir beide allein in der Bibliothek – ebenso unschicklich war, als hätten wir uns in Samuels Gemächern getroffen. Doch da ich unmöglich in aller Gemütsruhe bei ihm im Zimmer sitzen konnte, begaben wir uns nach draußen auf den Weg und lenkten unsere Schritte, wie Schlafwandler, in Richtung Bibliothek. Drinnen schloss er die schwere Tür und lehnte sich dagegen.
»Besser, wir lassen sie offen, findet Ihr nicht?«
»Wozu? Es ist niemand hier.«
Wieder atmete ich den Zwiebackduft ein, den die Bücher zu verströmen schienen, und kämpfte darum, ruhig zu bleiben.
»Als wir das letzte Mal hier waren, habe ich Euch eine Frage gestellt. Jetzt sind wir wieder da. Und ich hätte gerne eine Antwort.«
Es war deutlich zu sehen, dass er von dem, was ich ihm antwortete, nicht begeistert war, erst recht nicht, als er begriff, dass ich nicht umzustimmen war. Doch immerhin konnte ich seine eigenen Worte als Waffe benutzen. »Ihr selbst habt gesagt, Ihr hättet ein Umwerben ohne Eile vorgezogen, und nur die Dringlichkeit der Umstände habe Euch dazu getrieben, Euren Antrag so schnell zu stellen. Und Ihr sagtet mir recht offen, dass einige meiner Charakterzüge Euch missfallen …«
In diesem Moment wollte er mich unterbrechen, doch ich redete einfach weiter. »Nun haben sich meine
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