Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
dem Brief, den ich von ihm als Antwort bekam, hatte er sich der Sache nur mit einem halben Satz gewidmet, während er sich ausführlichst über seine eigenen Streitigkeiten mit den Aldens ergangen hatte, die immer noch nach einer mehr vom Volk ausgehenden Führung der Insel strebten und sich über sein großherrschaftliches Gebaren lustig machten. »Er schrieb mir, ich solle tun, wie mir beliebt.«
»Ist das so?« Seine Augen wanderten zur Decke. »Dann darf ich also die Hoffnung hegen, dein Entschluss zu bleiben habe damit zu tun, dass es zwischen dir und meinem Sohn … nun, äh, … zu einer Art Einverständnis gekommen ist?«
»Vielleicht solltet Ihr Euch in dieser Sache direkt an ihn wenden«, sagte ich, doch die Hitze, die mir plötzlich ins Gesicht gestiegen war, hatte ihm bereits die Antwort gegeben. Seine blassblauen Augen funkelten vor Freude.
»Ich freue mich darüber. Obwohl ich wünschte, es wäre eine klare und öffentlich angekündigte Verlobung. Als Ihr beide nach jener spätnachmittäglichen Unterredung am Tage des Herren zurückkamt und beide etwas angegriffen aussaht, dachte ich schon, ihr hättet euch dagegen entschieden … Aber ich will dich nicht bedrängen, mehr zu sagen, als du bereit bist. Nein, das werde ich nicht tun. Aber ich will eines gestehen: Ich freue mich auf den Tag, an dem ich dich Tochter nennen darf. Und ganz gewiss weiß ich nicht, was in Samuel vorgeht – einem Mann seines Alters. Andererseits behält ein solcher Mann seine Gedanken ja lieber für sich und sucht nicht bei jedem Schritt das Urteil des Vaters. Doch was dich angeht, Bethia: Nichts von dem, was zwischen Euch beiden ist, sollte daran etwas ändern, ob du hierbleibst. Und ich spreche ganz selbstlos, denn du bist im vergangenen Jahr ein wahrer Segen für mich gewesen, und ich werde deine Dienste und deine Gesellschaft bitterlich vermissen. Ich könnte dir zu einer besseren Stellung verhelfen. Es muss doch in der Stadt etwas Passenderes geben, eine Position als Gouvernante …«
»Herr, ich habe bereits eine Position in Aussicht. Ich hatte gehofft, Ihr würdet mich dorthin empfehlen, obwohl das bedeuten würde, dass ich Euch schon vor dem Tage der Immatrikulation verlassen müsste. Ich hörte, dass gerade eine Stelle am College frei geworden ist – eine junge Frau, die dort in der Küche arbeitete, will nächsten Monat heiraten und zieht schon in wenigen Tagen in ihr neues Zuhause bei der Familie ihres Gatten in Ipswich. Ich habe mich für die Stelle beworben.«
»Aber Bethia, das ist nur eine niedere Stelle. Leichtere Arbeit als hier vielleicht, aber immer noch niedrig. Du bist ein gebildetes Mädchen; du erfüllst jede Voraussetzung, die eine gute Familie von einer Lehrerin für ihre Töchter erwarten würde. Du solltest nicht als Magd in einer Spülküche arbeiten, das ist unter deiner Würde …«
Ich schaute den freundlichen alten Mann an, dessen Gesicht in so tiefe Falten der Sorge um mich gelegt war. Ich beschloss, ihm mein Herz auszuschütten.
»Herr, es gibt einen Grund, warum ich diese Stellung anstrebe …«
Er lächelte wissend und unterbrach mich. »Das liegt auf der Hand. Du willst in der Nähe meines Sohnes sein.«
Darauf wusste ich kaum etwas zu erwidern, denn die Vorstellung, in der Nähe seines Sohnes zu sein, brannte wie Feuer in mir. »Natürlich kann ich seine Aufmerksamkeit nicht in Anspruch nehmen, solange er mit seinen Studenten beschäftigt ist. Nein, ich sprach von etwas anderem.«
»Und das wäre?«
»Master, mein ganzes Leben habe ich mich nach einer Bildung gesehnt, wie sie mir aufgrund meines Geschlechts verwehrt ist. Mein Vater hat aufgehört, mich zu unterrichten, als ich neun wurde. Latein oder Hebräisch sollte ich nach seinem Willen gar nicht lernen, und doch habe ich mir, wie Ihr wisst, in beiden alten Sprachen einiges angeeignet. Das habe ich getan, indem ich den Unterricht anderer belauscht habe. Den von Makepeace und den der Jungen hier bei Euch.«
»Ach, wirklich? Das habe ich gar nicht bemerkt. Du schienst immer mit deiner Arbeit beschäftigt zu sein.«
»Es lag mir fern, jemanden zu täuschen, und ich habe nur zugehört, wenn die Arbeit es erlaubte. Doch was nun das College angeht: Ihr wisst doch noch, wie die Räume angeordnet sind – der große Saal, und die Luke zur Küche, die direkt daneben liegt?« Ich beugte mich vor, weil ich mit dem Thema warm wurde. »Herr, dort nehmen die Studenten ihre Mahlzeiten ein, aber dorthin gehen sie auch jeden Morgen, um
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