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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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wurde während des Prozesses in unserem Versammlungshaus festgehalten«, sagte ich. »Mir kam einfach eines Tages der Gedanke, dass die Protokolle irgendwo dort liegen müssten, wo wir tagtäglich ein und aus gehen. Und ich wollte gerne wissen, was sie gesagt hatte. Da doch so viele sich von ihr überzeugen ließen. Damals.«
    »Und unser Pfarrer ließ dich tatsächlich ihre ketzerische Aussage lesen?«
    Jetzt glühten meine Wangen wie Feuer. »Ich habe den Pfarrer nicht gefragt.« Meine Stimme war nur noch so leise wie der Ruf einer Fledermaus, fast unhörbar.
    »Also, wie dann?«
    »Ich fragte den Küster.« Jener arme Mann, ein schlichter und kränklicher Zeitgenosse, hatte kaum begriffen, worum ich ihn bat. Doch er reichte mir gern seinen Besen, als ich mich anbot, den Boden für ihn zu fegen. Er hielt in einer Ecke ein Nickerchen, und so blieb mir reichlich Zeit, die Aussage zu suchen und durchzublättern. Dabei geriet ich gehörig ins Staunen, wie geschickt jene Frau jeden Angriff von Winthrop und anderen abgewehrt und sich sowohl hinter ihrer Klugheit als auch ihren wundersamen Bibelkenntnissen so verschanzt hatte, dass die Gegenpartei keinen einzigen Treffer landen konnte. Und dann, ganz am Ende, als man gezwungen gewesen wäre, sie vollkommen entlastet laufen zu lassen, hatte sie sich selbst erboten, ihnen ihre ketzerischen Überzeugungen darzulegen. Sie erbot sich und belastete sich selbst. Genau wie ich es gerade getan hatte.
    Master Corlett schüttelte den Kopf und erhob tadelnd den Finger. »Das war nicht richtig von dir, Bethia. Diese Dinge waren nicht für deine Augen bestimmt. Du würdest doch sicher auch nicht aus einer Quelle trinken, in der ein verwesender Leichnam liegt, oder? Warum solltest du dann deinen Verstand mit dem Gerede einer Ketzerin beschmutzen?«
    Auf diese Frage hätte ich ihm mannigfaltig antworten können. Ich hätte sagen können, Hutchinsons Worte mochten zwar deutlich der herrschenden Doktrin widersprechen, doch Geschwätz seien sie ganz bestimmt nicht. Ich hätte sagen können, dass es durchaus wichtig war, selbst falsche Meinungen zu studieren, wenn man lernen wollte, ihren Schwächen auf die Schliche zu kommen. Ich hätte sagen können, dass ich mich danach sehnte, die Aussage einer gebildeten Frau zu lesen, weil solche Frauen meistens in Stille lebten und starben, während allein die Männer ihre Standpunkte darlegen durften. Doch ich hatte längst zu viel gesagt. Deshalb antwortete ich ihm folgendermaßen: »Es tut mir leid, Herr. Jetzt begreife ich, dass es falsch von mir war. Ich danke Euch dafür, mich in dieser Angelegenheit korrigiert zu haben.«
    »Sehr gut gesagt.« Er sah erleichtert aus. »Und was nun diese Situation mit dem College angeht: Du sagst, du hättest dich bereits beworben?« Ich nickte. Er schüttelte den Kopf. »Ich werde dich wegen dieser Sache nicht anschwärzen, weil ich denke, ich würde dir keinen Gefallen damit tun, dich bloßzustellen. Wenn ich könnte, würde ich etwas unternehmen, um deine Chancen dort zu mindern. Doch wenn ich mich gegen deine Anstellung ausspreche, könnte das missverstanden werden, als wollte ich ein schlechtes Licht auf deinen Charakter werfen. Es wäre mir einfach nicht recht, wenn Präsident Chauncy etwas zu Ohren käme, das in ihm eine schlechte Meinung über die zukünftige Frau meines Sohnes wecken würde, wenn du das denn werden willst. Doch sollte sich die Situation tatsächlich ergeben, bitte ich dich, das Angebot abzulehnen. Und wenn du dich weigerst, diesen Rat zu befolgen, dann möchte ich dir nur dringend eines ans Herz legen: Lass die Luke zum Saal fest geschlossen!«

XXII
    »Name?«
    »Caleb.«
    »Caleb und weiter?«
    »Caleb … Cheeshahteaumuk.«
    »Chischaumak?«
    »Cheeshahteaumuk.«
    »Komischer Name. Ich schätze, du bestehst darauf? Einen anderen Namen annehmen willst du wohl nicht, oder? Wie lautete der Name deines Vaters?«
    »Nahnoso.«
    »Auch nicht besser. Klingt wie das Wiehern eines Esels. Dann muss eben der andere genügen. Caleb Chiscar …«, Präsident Chauncys Feder kratzte über das Pergament, »… ruimac. Das hätten wir.« Er legte seine Feder beiseite und drückte die Fingerspitzen beider Hände über dem Schreibtisch gegeneinander. Dabei betrachtete er Caleb mit einem Ausdruck gelinder Verblüffung und blinzelte ein paar Mal, als könnte er kaum glauben, welch besonderes Wesen er dort vor sich hatte.
    Ich stellte die Bierkrüge ab, die ich für Chauncy und seinen Schreiber

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