Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
gegen die Wellen von Begierde anzukämpfen, die manchmal an mir zerrten und jegliche Vernunft, gesunden Menschenverstand und Schicklichkeit mit sich fortzureißen drohten. Doch wenigstens zu einem war das alles gut: Scheinheiligkeit, was die Sünden des Fleisches anging, war mir seither fremd.
So wie ich ihn gebeten hatte, wartete Samuel ganze sechs Monate, bis er seinen Heiratsantrag wiederholte. Während dieser Zeit wurde klar, dass er meinen Charakter so akzeptierte, wie er war, und nicht im Geringsten die Hoffnung hegte, mich irgendwie zu einer gefügigeren Braut formen zu können. Auch meine Angst, er würde meinen Verstand zu ersticken versuchen, erwies sich als haltlos. Obwohl wir uns jeden Tag sahen, sprachen wir nur am Tage des Herrn miteinander, wenn wir nach der Versammlung, gemeinsam mit seinem Vater als wohlwollendem Bewacher, beisammensaßen. Wenn ich dann um Erklärung eines bestimmten Sachverhaltes aus einer der Vorlesungen der Woche bat, runzelte sein Vater die Stirn, doch Samuel lächelte und führte begeistert mit mir ein Gespräch über das Thema, das ich gerade angeschnitten hatte. Schon bald hatte sein Vater seine anfängliche Missbilligung vergessen und nahm an dem Disput teil, bis derlei formlose Seminare für uns zu einer beständigen Gewohnheit wurden.
Und so kam es, dass wir in der Woche der festlichen Abschlussfeiern heirateten, mit Samuels überglücklichen frischgebackenen Absolventen als Trauzeugen. Mein Bruder und Großvater kamen beide von der Insel herüber und nahmen an den Feierlichkeiten teil. Selbst Makepeace stellte seine mürrischen Bedenken in den Hintergrund und lächelte über die fröhliche Zecherei, die überall in der Stadt im Gange war. Sowohl Großvater als auch Makepeace gaben mir zu verstehen, dass sie mit meiner Wahl Samuels zum Ehemann sehr zufrieden seien, und schon bald waren die drei in einen höflichen Disput über verschiedenste Themen versunken.
Makepeace brachte Nachrichten mit, die zu hören sich auch Caleb und Joel sehr freuten, denn er berichtete, Anne habe sich bei den Takemmy gut eingelebt und sei überaus beliebt im Dorf. Mich freute es ganz besonders, dass sie einen Nutzen für ihren regen Verstand und ihre Bildung gefunden hatte und als Lehrerin der jüngeren Merry-Mädchen tätig war, die ansonsten gar nicht zur Schule gegangen wären. (Ihre Stiefmutter Sofia konnte weder lesen noch schreiben, und auch beim Vater hielt sich die Bildung sehr in Grenzen; das Halbwissen, dessen Noah und seine Brüder sich brüsten konnten, stammte von ihrer leiblichen Mutter, die daheim in Hertfordshire eine Nachbarschaftsschule besucht hatte, eine Bildung, die durch ihren frühen Tod ein Ende gefunden hatte.)
Ich stellte fest, dass Makepeace sich verändert hatte – er hatte nicht nur körperlich an Gewicht verloren, sondern auch einiges von seiner Strenge. Dies führte ich auf die Tatsache zurück, dass er nicht mehr tagtäglich dazu gezwungen war, die Anhöhen akademischen Wissens zu erklimmen und dabei seine eigene Unzulänglichkeit erfahren zu müssen. Stattdessen arbeitete er auf dem Hof, las aus der Bibel und fungierte in der Siedlung in jeder Hinsicht als Seelsorger. Zwar besaß er nicht die Qualifikation, um nach den Regeln der Kirche ordiniert zu werden, doch die meisten auf der Insel waren froh darüber, dass er Vaters Platz auf der Kanzel einnahm und von dort aus schlicht und rein das Evangelium predigte.
Es war Not am Mann gewesen, denn man brauchte dringend noch jemanden, der Wampanaontoaonk sprach und Iacoomis und Großvater dabei half, Vaters missionarische Arbeit fortzuführen, doch Makepeace war nicht gewillt und auch nicht allzu begabt darin, sich mit jener schwierigen Sprache zu befassen. Peter Folger, Großvaters Vormann, ließ sich schließlich davon überzeugen, den Posten zu übernehmen. Er war nach einem Zerwürfnis mit Großvater bezüglich des dornigen Themas der Taufe vor einigen Jahren auf unsere Schwesterinsel übergesiedelt. Doch irgendwie konnten die Wogen wieder geglättet werden, er war zurückgekehrt, und so konnte Vaters Vorhaben, in Manitouwatootan zu predigen und eine Schule einzurichten, endlich weiter vorangetrieben werden.
Dass Makepeace nun insgesamt milder gestimmt war, hatte neben seiner Zufriedenheit darüber, dass er nicht mehr zu emsigem Studium verpflichtet war, auch noch einen anderen Grund. Dieser trat zu Tage, als er mir anvertraute, auch er würde bald heiraten, und zwar die Witwe Gaze. Ich kannte die Dame nur
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