Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
Honig aus meinen eigenen Bienenstöcken, auf die ich, das muss ich gestehen, recht stolz war. Makepeace, der Süßes liebte, hatte seine wenigen Bissen schnell heruntergeschlungen, stand auf und entschuldigte sich, da er zu Bett gehen wolle. Caleb hingegen kaute sein Essen sorgfältig, trank statt Bier Wasser, das er sich selber holte, obwohl Vater ihm sagte, in Zukunft müsse er einfach nur darum bitten, denn es falle mir zu, die Männer bei Tische zu bedienen.
Ich räumte die Tafel ab, während die anderen aufstanden, um sich zur Ruhe zu begeben. Ich hatte für Caleb eine Bettdecke bereitgelegt, die sonst nicht benötigt wurde und die ich aus Getreidesäcken genäht hatte. Während ich sie vor dem Herdfeuer ausschüttelte, dachte ich an die Felle, die im wetu der Takemmy über den Holzbänken lagen, und daran, wie meine Hände damals in dem butterweichen Tierhaar versunken waren. Als Sohn des sonquem war Caleb bestimmt daran gewöhnt, sich bei Nacht nur in die allerfeinsten Felle zu hüllen. Sicher gehörten dazu auch solche, die wir hier auf der Insel nur selten zu sehen bekommen wie Bären- oder Biberfelle, in deren Besitz die Indianer durch Handel mit Stämmen vom Festland kamen. Nun, dachte ich, in den vergangenen Monaten hatte er gewiss auf dem nackten Boden hart genug geschlafen, und so würde er wohl auch mit Sackleinen vorliebnehmen.
Überhaupt beschäftigte mich die Frage, was Caleb an dem Leben hier bei uns als Mangel empfinden mochte. Die Engländer, die noch nie in einem wetu waren, stellen sich diese kuppelförmigen Hütten als trostlos vor und halten sie ihren eigenen Behausungen gegenüber für weit unterlegen. Sie würden natürlich davon ausgehen, dass Caleb dankbar für die Gelegenheit sein müsse, bei uns zu leben. Doch ich war mir nicht so sicher, ob er wirklich das Gefühl hatte, dass sich sein Los hier vom materiellen Standpunkt aus verbessert habe. Zum Beispiel werden die otans im Winter meist an gut entwässerten und geschützten Stellen aufgebaut. Durch den Wechsel der Standorte zu jeder Jahreszeit kann Schmelzwasser ungehindert abfließen und das Gras nachwachsen. Das Land, das wir gewählt hatten, um uns darauf niederzulassen, wird hingegen oft von Meeresstürmen heimgesucht, und die ständige Nutzung des Geländes hat schon jetzt dazu geführt, dass dort im Frühjahr nichts mehr wächst, weil nur noch nackter Stein und ausgewaschene Lehmmulden übrig sind, die im Winter schlammig und im Sommer staubig sind. Aus all diesen Gründen befürchtete ich, Caleb würde die Umstände hier eher als armselig empfinden.
Als ich Calebs Nachtlager hergerichtet hatte, wünschte ich allen eine gute Nacht und trug Solace hinauf in mein eigenes Bett. Ich hörte, wie Caleb Vater bat, noch eine Weile aufbleiben zu dürfen. »Denn ich sehe hier so viele Bücher, von denen Ihr in Manitouwatootan gesprochen habt …«
Vater zündete mit lautem Zischen und Knistern einen Kienspan an. »Achte darauf, dich nicht allzu sehr anzustrengen. Wir stehen hier früh auf und haben bis zum Mittag viel zu tun. Nach dem Essen werden wir mit deinem Unterricht beginnen. Ich habe vor, dich so schnell wie möglich vorwärtszubringen, deshalb wirst du morgen deinen gesamten Verstand brauchen. Verkürze dir nicht deine verdiente Nachtruhe.«
Als sich Vater und Makepeace zur Ruhe begeben hatten, hörte man an diesem Abend kein leises Flüstern hinter dem Vorhang. Offenbar führten sie nicht ihre übliche nächtliche Unterredung, und auch sonst war zwischen ihnen eine gewisse Befangenheit zu spüren, die bestimmt auf Calebs Anwesenheit zurückzuführen war. Ich lag auf meinem Lager und dachte über meinen Bruder nach. Ich wusste, dass Makepeace seine Besorgnis darüber, dass wir Caleb bei uns aufgenommen hatten, als den Wunsch verbrämte, mich nicht ins Gerede zu bringen. Das war kein hohler Vorwand; sein Bedürfnis, mich zu schützen, war wohlgemeint. »Ein guter Name ist besser denn gutes Salböl«, pflegte er zu sagen, und ich wusste, dass das stimmte. Es ist ein großer Vorteil, einen makellosen Ruf zu haben, erst recht für jemanden meines Geschlechts in einer so engen Gemeinschaft wie der unseren. Doch seine Wachsamkeit, so begründet sie sein mochte, war auch ärgerlich: als hätte man einen Hund, der in jedem Fall knurrt, wenn sich jemand nähert, ob es nun Freund oder Feind ist. Und, um die Wahrheit zu sagen, empfand ich es auch als beleidigend, dass mein Bruder offenbar dachte, ich sei zu gleichgültig oder zu dumm,
Weitere Kostenlose Bücher