Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
den Rücken zu und eilten nach Hause, wo die Missetaten meiner Familie sicher ausführlich zur Sprache kamen.
Vater war blendender Laune, als wir die kurze Entfernung nach Hause zurücklegten, um zu Mittag zu essen. Ich hatte eine herzhafte Muschelsuppe sowie Maisbrot mit knuspriger Kruste vorbereitet; außerdem gab es getrocknete Früchte und Nüsse, die ich im letzten Herbst gesammelt hatte. Als ich eine Schüssel mit Blaubeeren und Haselnüssen vor Caleb hinstellte, schaute er zu mir empor. Ich wusste, dass er sich an den Tag zurückerinnerte, an dem er mir gezeigt hatte, wo man sie findet. Er lächelte, bedankte sich höflich, und ich wandte mich errötend ab.
Vater zog Caleb sogleich ins Gespräch und fragte ihn, was er denn im Vergleich zu den Gottesdiensten in Manitouwatootan von diesem gehalten habe. Caleb sagte, er habe das Singen der Kirchenlieder sehr genossen, all die englischen Stimmen im Einklang. »Denn in Manitouwatootan gibt es immer einen Neuankömmling, der unbedingt mitsingen will, obwohl er weder die Worte noch die Melodie kennt …« Und dann ahmte er eine entsprechende Szene nach, was Vater zum Lachen brachte, weil er das alles nur allzu gut kannte. Makepeace reichte schweigend die Teller herum und nahm nur dann am Gespräch teil, wenn Vater ihn direkt anredete.
Ich selbst sagte sogar noch weniger als sonst, weil die Tatsache, Caleb so nahe bei mir in dieser ungewohnten Umgebung zu erleben, mich im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos machte. Ich musste selbst über die einfachsten Aufgaben nachdenken und meine Hände durch Willenskraft dazu bringen, dass sie Teller abstellten oder anhoben, denn meine Gedanken kreisten so sehr um ihn, dass mir ganz schwindelig war. Doch niemand schien das zu bemerken. Wenn überhaupt jemandem mein Schweigen und meine Unbeholfenheit auffielen, dann schätze ich, dass dies angesichts der Anwesenheit eines – wie alle glaubten – für mich Fremden als ganz natürlich empfunden wurde. Dabei versuchte ich, ihn mir so genau, wie es nur ging, anzuschauen. Er hatte sich in den Monaten, seit ich mich damals im Wald so tränenreich von ihm verabschiedet hatte, sehr verändert. Er wirkte älter, ganz gewiss, doch dabei irgendwie auch geläutert, sei es durch die dämonischen Hexenriten, die ihm während seiner Prüfung im Wald abverlangt worden waren, oder einfach durch die Verluste und die Begegnung mit dem Tod, die ihm widerfahren waren. Die ruhelose, flammende Energie, die ihn als Junge ausgezeichnet hatte, war einer wohlerzogenen Zurückhaltung gewichen. Doch sein Feuer schien nur eingedämmt, aber nicht erloschen zu sein. Und eines hatte sich gar nicht verändert: Selbst in der ungewohnten englischen Kleidung strahlte er.
Kurz bevor wir zur Versammlung zurückkehrten, nahm ich Vater beiseite und fragte ihn, was er glaube, wer wohl das Wort ergreifen würde. Er nannte zwei Männer, die sich berufen fühlten, gewisse Texte öffentlich auszulegen, sowie einen weiteren, der vor der Gemeinde gestehen wollte, dass er danach getrachtet hatte, die nicht gekennzeichneten Schafe eines Nachbarn zu stehlen. »Von den Alden-Leuten hat mich keiner angesprochen. Von ihnen erwarte ich heute nichts. Ich denke, sie warten ab und hören sich erst mal um, was man in der Siedlung über die Aufnahme unseres hoffnungsvollen jungen Propheten hier zu sagen hat.«
»Weiß denn Caleb – ich meine, der junge Schüler – von den Aldens und ihrer feindseligen Gesinnung bezüglich seines Stammes?«
»Ich habe ihn darüber aufgeklärt. Warum fragst du?«
»Ich wollte nur … ich weiß ja, dass ihre Ansichten sehr erbittert sind und …«
Vater streckte eine Hand aus und tätschelte mir die Schulter. »Du bist ein liebes Mädchen, Bethia. Denkst immer an die Gefühle anderer, genau wie deine Mutter, Gott habe sie selig. Doch mach dir keine Gedanken, was Caleb angeht. Er weiß, dass zwischen den Wampanoag und den Engländern immer wieder harte Worte fallen, und das nicht nur in einer Richtung. Sein Onkel Tequamuck sagt Dinge über mich, die mich bis aufs Blut geißeln würden, wären Worte Peitschen. Glücklicherweise sind sie das nicht, und wir müssen uns wappnen und all den feindseligen Bemerkungen widerstehen, so wie es unser Herr, er sei gesegnet, tat, als man ihn beschimpfte.«
Wie immer erwies sich Vater als schlauer Menschenkenner, denn der nachmittägliche Gottesdienst verlief ohne weitere Vorkommnisse. Zum Abendessen servierte ich Bier und den Rest des Maisbrotes, bestrichen mit
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