Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
Verstorbenen ein kleines Trostgeschenk mitzugeben, wenn er von dieser Welt in die nächste übergeht? Ein Stück aus der Heiligen Schrift, ein paar Perlen, und ihre Puppe. Was soll schlecht daran sein?«
Ich konnte darauf nichts erwidern. Dennoch bereitete mir der Gedanke daran Unbehagen, und ich schwankte unaufhörlich hin und her wie eine Waage, deren Zünglein nicht zur Ruhe kommt.
Nach ihrem Begräbnis begann für uns erneut eine Zeit harter Seelenprüfung, in der ein jeder von uns herauszufinden versuchte, wo er vor den Augen Gottes versagt hatte. Ich sah in dem Geschehenen eine weitere Bestrafung für meine Götzendienste, die zu gestehen ich noch immer nicht über mich gebracht hatte. Makepeace wiederum ging in die Versammlung und bezichtigte sich öffentlich einer ganzen Litanei von Vergehen, angefangen bei der Völlerei bis hin zur Trägheit – alles Charakterfehler, die mir durchaus bekannt waren. Doch dann nannte er auch die Fleischeslust, was mich überraschte und schließlich dazu brachte, ihn einmal nicht mehr nur mit den Augen einer Schwester zu betrachten und mir bewusst zu machen, dass er kein Junge mehr war. Ich fragte mich, ob seine Lust denn ein Objekt habe, und wenn, wer dies wohl sein mochte. Danach folgte ich seinen Blicken mit größerer Aufmerksamkeit, konnte aber nichts entdecken. Er machte gewaltige Anstrengungen, sich in den beiden erstgenannten Todsünden zu bessern, indem er bei Tisch nur noch wenig zulangte und sich mit besonderem Eifer seinen Aufgaben widmete. Was die dritte Sünde betraf, so wusste ich nicht, wie es ihm damit erging. Um zu erkennen, ob seine Zuneigung tatsächlich in eine bestimmte Richtung ging, fehlte mir jedenfalls der scharfe Blick.
Es war Vater, bei dem die Zeit der Besinnung die größten Veränderungen zeitigte. Sein Gewissen führte ihn zu dem Schluss, dass er sich noch zu wenig bemüht hatte, die Stellung der pawaaws und ihre Macht über die Menschen zu erkennen. »Sie sind das stärkste Band dieser Leute mit der Dunkelheit«, sagte er. »Und ich muss es durchtrennen. Es gibt keinen anderen Weg.« Er beschloss, nicht mehr darauf zu warten, dass Bekehrte zu ihm kamen, um dann die Botschaft Gottes aus Manitouwatootan hinauszutragen. Er begann, die nichtchristlichen Siedlungen zu bereisen, und bat die sonquems um Erlaubnis, bei ihnen zu predigen. Während dieser Ausflüge war immer jemand an seiner Seite, ob Makepeace, Caleb oder Joel, und aufgrund ihrer Gespräche bei Tisch konnte ich mir ein Bild von diesen Begegnungen machen. Was ich erfuhr, beunruhigte mich zutiefst.
Es schien, dass Vater beim Predigen heftig geworden war und an die Stelle eines sanften Evangeliums der Liebe und der Vergebung bedrohliche Visionen des Fegefeuers getreten waren, die den Nichtgläubigen Hölle, Verdammnis und Blutrache in Aussicht stellten.
Eines Tages kam er nach Hause, nachdem er dem dickköpfigen sonquem von Chappaquiddick gepredigt hatte. Von der Überfahrt auf die kleinere Insel war er durchnässt und mit Sand und Unrat bedeckt, und als ich ihm Wasser zum Waschen warm machte, sah ich, dass er seinen rechten Arm nicht bewegen konnte. Als ich ihn danach fragte, sagte er, er habe von dem sonquem einen Schlag mit dem Kriegsbeil erhalten, der Arm sei zwar schwer geprellt, jedoch nicht gebrochen.
»Mach dir keine Sorgen, Tochter«, sagte er. »Ich habe einen Arm, um Verletzungen hinzunehmen, und einen zweiten, um ihn zum Lobpreis Gottes zu heben. Als man mir an dem einen dies antat, hob ich den anderen umso höher zum Himmel, und wahrlich, ich sage dir, als der sonquem sah, dass ich ihn nicht fürchtete, sondern standhaft blieb, war er schließlich doch noch bereit, meinen Worten zu lauschen, bat auch seinen pawaaw , dies zu tun, etwas, das er bislang noch nie zugelassen hat.«
Vaters Predigten wurden sogar noch feuriger, als der Sommer seinen Höhepunkt erreichte, und sein Eifer machte selbst vor den sicheren Mauern unseres Versammlungshauses nicht Halt. Auch dort redete er sich in Rage, der Schweiß tropfte ihm von der Stirn, wenn er seine Rede schließlich heftig gestikulierend in der Behauptung gipfeln ließ, er würde alle pawaaws der Insel unter seiner Ferse zermalmen. Von den Aldens erntete er für dieses Versprechen zustimmende Blicke und »Amen!«-Rufe, doch als ich einen Blick zurück zu der Bank von Iacoomis wagte, blickte die Familie betroffen drein, und auch Caleb auf dem Platz neben Makepeace runzelte die Stirn.
Mitte August gab Vater sein Einverständnis,
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