Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
Vom Netzwerk:
Pflicht widmete. Vater zog aus dieser Korrespondenz großen Mut und kam auf den Gedanken, einen zweiten Missionar auf die Insel zu holen. Besonders sprach er über all die Möglichkeiten, die man hätte, wäre er nur finanziell in der Lage gewesen, einen Schulmeister für die Indianerkinder anzustellen. Ein solches Salär für einen ausgebildeten Pfarrer oder einen Lehrer, der ein derart schwieriges Amt übernommen hätte, konnte er jedoch nicht erübrigen.
    Es war Großvater, der Vater auf die Idee brachte, eine Reise nach England zu unternehmen, um bei der »Gesellschaft für die Verbreitung des Evangeliums Jesu Christi unter den Indianern« Spendengelder für die Missionsarbeit aufzutreiben. Diese Gesellschaft hatte sich auch gegenüber John Eliot als großzügig erwiesen. Die Engländer, die sich unter dem Banner dieser Gesellschaft zusammengeschlossen hatten – wohlhabende Leute ebenso wie einfache Bauern –, brannten darauf, Menschen zu bekehren, und wurden angesichts des mangelnden Erfolges, den man bislang aus Neuengland zu berichten hatte, allmählich ungeduldig.
    Großvater war in Gelddingen immer schon geschickt gewesen. Doch wenn ich heute zurückblicke, dann glaube ich, er fürchtete auch um Vaters Geisteszustand. Er hatte die Veränderungen beobachtet, die in seinem früher so friedfertigen Sohn seit Solaces Tod vorgegangen waren, und hatte vielleicht das Gefühl, er habe mit seiner neuen Art zu predigen, allen früheren Erfolgen zum Trotz, einen gefährlichen Kurs eingeschlagen. Ich glaube, er wollte meinen Vater ablenken, indem er ihm eine neue Aufgabe stellte.
    Zuerst wollte Vater von einer solchen Reise nichts wissen, denn er hatte sich, wie er sagte, vorgenommen, Makepeace, Caleb und Joel auf ihre Einschreibung am College vorzubereiten und wollte sie nicht mitten in diesem Unterfangen im Stich lassen. Wir waren nach unserer Versammlung am Tage des Herrn zum Essen zu Großvater gegangen und kehrten gerade zum Gemeindehaus zurück. Makepeace war vorausgegangen, und Caleb hatte sich der Familie von Iacoomis angeschlossen. Ich ging ein paar Schritte hinter Vater und Großvater, und ich bin mir sicher, sie hatten vergessen, dass ich da war.
    »Denk darüber nach, mein Sohn«, sagte Großvater. »Du stellst die Bedürfnisse von drei Menschen über die Seelen von dreitausend. Wenn du wartest, bis diese Burschen bereit sind, wird ein Jahr oder mehr verloren sein. Geh bald, und du wirst rechtzeitig zurückkehren, um dem Gebäude des Lernens, das ihr gemeinsam errichtet habt, den letzten Schliff zu geben. Gewiss ist doch Makepeace fortgeschritten genug, um den Lateinunterricht unserer hoffnungsvollen jungen Propheten fortzusetzen.«
    »In Latein kann er vielleicht noch etwas ausrichten, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis die jüngeren Burschen ihm den Rang ablaufen. Im Griechischen hat er schwer zu kämpfen. Makepeace ist einfachen Geistes, geprägt durch das Studium der Bibel. Dagegen ist nichts zu sagen; solch ein Mann wäre ein tüchtiger Pfarrer. Doch ich fürchte, er ist in seinem Bibelstudium so tüchtig, dass er alle anderen Wissenschaften für eitel hält und in ihnen Fallstricke für die Seele sieht.« Vater verlieh seiner Sorge Ausdruck, ohne gründliche Anleitung und unablässige Unterweisung könne Makepeace leicht in dem, was von ihm erwartet würde, scheitern. »Und wer wird ihn unterrichten, wenn nicht ich?«
    »Wenn er nicht in der Lage ist, in diesen wenigen Monaten allein weiterzukommen, dann ist es kaum wahrscheinlich, dass er von einer Ausbildung am College profitieren wird«, erwiderte Großvater. »Besser, dieser Wahrheit früher ins Auge zu blicken als zu spät. Der Herr hat doch alle möglichen Sorten Ton, aus denen er die Menschen formt. Manche werden zu zartem Geschirr, andere nur zu groben Tontöpfen für den täglichen Gebrauch. Alle haben ihren Nutzen, doch selbst der geschickteste Töpfer kann es nicht erzwingen, dass der eine Topf die Aufgaben des anderen übernimmt …«
    In diesem Moment betraten sie wieder das Versammlungshaus, ich musste mich wie immer zu den Frauen setzen und hörte nicht, zu welchem Abschluss das Gespräch kam. Doch noch an diesem Abend wurde entschieden, dass Vater so bald als möglich nach England in See stechen würde. Vater bat John Eliot um Empfehlungsschreiben und erhielt sie in solch schwärmerischer Form, dass sie für einen bescheidenen Menschen wie ihn schwerlich zu lesen waren. Aus Gründen der Schicklichkeit – sprich meinetwegen –

Weitere Kostenlose Bücher