Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
sein. Als Vertragsknechte oder -mägde arbeiteten normalerweise nur die Kinder von armen Leuten. Großvater, der selbst gerne wie ein Feudalherr auftrat und von allen Inselbewohnern erwartete, dass sie sein noch ungezähmtes Stück Land als »das Gut« bezeichneten – eine Anmaßung, über die sich die Aldens gern lustig machten –, dieser selbe feine Herr konnte doch nicht etwa vorhaben, mich, seine Enkelin, als eine Art Lohnsklavin zu verdingen? Es musste ihn doch beschämen, etwas Derartiges zu tun. Ein Blick zu Makepeace zeigte mir, dass auch ihm dies alles sehr unangenehm war. Er wand sich auf seinem Stuhl. Großvater mied meinen Blick, schaute nur nach unten und machte sich wieder an den Unterlagen auf seinem Tisch zu schaffen.
»Es wäre keine gewöhnliche Anstellung als Vertragsmagd. Erstens handelt es sich um eine kurze Zeitspanne – nur vier Jahre, nicht wie sonst acht. Außerdem wäre damit die Frage gelöst, wo du, Bethia, wohnen sollst, denn du kannst nicht alleine hier leben, wenn dein Bruder nach Cambridge geht, und wie du weißt, habe ich in meinem Haushalt keine Räumlichkeiten, in denen ich dich angemessen unterbringen könnte. Tante Hannahs Haus – nun, wir alle wissen, dass man dort auf Schritt und Tritt über ein schlafendes Kind stolpert. Wenn du nur ein bisschen älter wärst … aber nein, darüber wollen wir nicht nachdenken. Ich selbst wäre durchaus gewillt, da du im kommenden Herbst bereits siebzehn wirst und es in diesem Alter nicht ungewöhnlich ist, dass man … aber nein. Dein Vater war sehr entschlossen, als das Thema zuletzt auf den Tisch kam, und ich will mich in dieser Hinsicht nicht über seine Wünsche hinwegsetzen.«
Am liebsten hätte ich erwidert, ob sich denn eigentlich jemand fragte, was meine Wünsche waren. Doch da ich vermutete, er habe sich auf Noah Merry bezogen, schien es mir angebracht, lieber zu schweigen. Ich war erleichtert, dass er offenbar nicht geneigt war, diesen Gedanken bis zu seiner unausweichlichen Konsequenz zu verfolgen. Ich hatte nichts gegen den jungen Merry, im Gegenteil, ich mochte ihn recht gern. Doch er war noch ein Junge; und es war nicht mit Gewissheit vorherzusagen, was für ein Mann einmal aus ihm werden würde. Außerdem verspürte ich nicht den geringsten Wunsch, seine Frau oder überhaupt jemandes Frau zu werden. Erstens befand ich mich in Trauer. Jeder Tod, der über uns und unsere Familie hereingebrochen war, hatte mich erneut aus der Bahn geworfen. Und jedes Mal hatte ich wieder nach einer neuen Richtung gesucht, die ich meinem Leben geben könnte. Nach Mutters Tod hatte ich gedacht, meine Aufgabe sei es, Solace großzuziehen – und dass dies den größten Teil meines Lebenswerks ausmachen würde. Als dann Solace starb, war ich davon überzeugt, dass ich dazu bestimmt sei, Vater zu unterstützen und ihm den Haushalt zu führen, damit er seiner Missionsarbeit unbehelligt von täglichen Belangen nachgehen konnte. Sein Tod hatte mir dann vollkommen das Ruder aus der Hand genommen. Vielleicht war ja dieser Dienst bei Master Corlett, so unwillkommen er mir jetzt auch schien, dazu ausersehen, meinem Leben ein neues Ziel zu geben. Da mein Geschlecht mir ein Pfarramt verwehrte, wollte Gott mich ja vielleicht als Werkzeug dafür benutzen, wenigstens meinen Bruder auf diesen Pfad zu lenken.
»Mr. Corlett schreibt, dass er erst kürzlich Witwer geworden und auf der Suche nach einer jungen Frau aus gutem Hause sei, die ihm dabei hilft, die Schule zu leiten. Er hat eine ganze Reihe von Jungen, sowohl englischer als auch indianischer Herkunft, bei sich im Internat und ist sich durchaus der Tatsache bewusst, dass besonders Jungen in so zartem Alter der steten Anwesenheit einer Frau bedürfen. Offenbar hat es sich als schwierig herausgestellt, vor Ort eine Bedienstete zu finden, die der Situation gewachsen ist, wegen der Indianer, du weißt schon. Ich habe ihm versichert, dass du trotz deiner jungen Jahre ein sehr tüchtiges Mädchen und durchaus vertraut mit unseren dunkelhäutigen Brüdern bist.« Hier legte er eine Pause ein, auf dem Gesicht einen Ausdruck, als erwarte er von mir einen Dank für das Kompliment. Ich ging darüber hinweg.
»Denk darüber nach, Bethia. Du würdest nicht nur deinem Bruder einen guten Dienst erweisen, sondern auch den anderen Jungen dort, einschließlich dem jungen Joel und Caleb, dessen Schicksal dir, wie ich weiß, nicht gleichgültig ist.«
Bei diesen letzten Worten warf mir Makepeace einen Blick zu. Ich
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