Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
erwiderte ihn mit finsterer Miene. Ich sah deutlich, welcher Gedanke ihm gerade dämmerte: dass es nämlich nur in seinem Interesse war, nichts zu tun oder zu sagen, das mich in Rage bringen könnte. Ganz plötzlich schien seine Zukunft in meinen Händen zu liegen.
»Kann ich mir das ein wenig überlegen, Großvater?«
»Ja, ja, natürlich. Denk gut darüber nach. Aber vergiss nicht, es sind nur vier Jahre, die von dir verlangt werden. Und wir brauchen nicht an die große Glocke zu hängen, welcher Art deine Dienste dort tatsächlich sind. Du gehst als Begleiterin und Helferin deines Bruders dorthin. Nicht, dass man sich für diese Tätigkeit schämen müsste, das will ich überhaupt nicht sagen … Und ich will auch nicht, dass du das denkst. Die Schule genießt hohes Ansehen. So befindet sich derzeit, wie Corlett mir schrieb, der Sohn des verstorbenen Gouverneurs Dudley in seiner Obhut. Denk also nicht, dass ich dich lediglich darum bitte, dich als Magd um die Belange einer Handvoll rotznasiger Schuljungen zu kümmern. Und außerdem steht es dir frei, danach hierher zurückzukehren, in einem Alter, in dem du heiraten, eine eigene Familie und einen Haushalt gründen kannst. Aber du wirst das Festland und ein wenig Stadtluft geschnuppert haben. Die Schule liegt gleich neben dem Harvard College, wusstest du das? Master Corletts Sohn gehört dort zum Lehrpersonal. Und ich habe gehört, dass die Corletts eng mit dem Präsidenten des College befreundet sind. Wer weiß, vielleicht fällst du ja einem jungen Studiosus ins Auge, der dir besser zusagt als ein Bauernjunge. Jedenfalls ist es eine Gelegenheit, die einem Mädchen von der Insel nicht sehr oft geboten wird, Bethia. Behalte das im Kopf, wenn du darüber nachdenkst.«
Wir aßen bei Großvater, und er sprach bei Tisch über alles Mögliche, doch in meinem Kopf brannte sein Vorschlag wie Feuer. Caleb setzte sich zu uns, und ich spürte seinen Blick auf mir ruhen. Ich war nicht sicher, wie lange er sich bereits im Haus aufhielt, ob er vielleicht unser Gespräch mitangehört hatte und wusste, welcher Vorschlag mir unterbreitet worden war. Joel und er würden vermutlich froh sein, mich in ihrer Nähe zu haben – ein vertrautes Gesicht, ein Mensch, der ihnen zur Seite stand. Doch als sich unsere Blicke begegneten, überraschte mich das, was ich in seinem Gesicht sah. Seine Stirn war gerunzelt, sein Blick kalt und finster.
Bevor wir das Haus verließen, zupfte ich Großvater am Ärmel und zog ihn ein wenig beiseite, während Makepeace nach seinem Hut suchte.
»Großvater, darf ich dich etwas fragen? Du sagst, Master Corlett sei frisch verwitwet. Ich frage mich, was du über ihn und über seinen Charakter weißt.«
Großvater, der begriff, was hinter meiner Frage steckte, errötete leicht. »Mein Liebes, sei ganz beruhigt. Master Corlett ist ein älterer Herr. Er hat erwachsene Kinder – eine verheiratete Tochter, die eine eigene große Familie in Salem hat; und einen weiteren Sohn, der, wie gesagt, am Harvard College lehrt. Ich bin mir sicher, Master Corlett wird dich wie seine eigene Enkelin behandeln.«
Am liebsten hätte ich gesagt: »Ich hoffe, er würde seine eigene Enkelin nicht als Magd verdingen, weil er zu knapp bei Kasse ist, um einen kleinen finanziellen Engpass zu überbrücken.« Doch ich dachte an Mutter, hielt den Mund und ging schnellen Schritts und schweigend nach Hause. Den ganzen Weg über spürte ich den Blick meines Bruders, der sich mir in den Rücken bohrte.
X
An jenem Abend beschloss ich, in Großvaters Plan einzuwilligen, weil ich Gottes Walten in ihm spürte. Dennoch behielt ich meine Entscheidung aus Gründen für mich, die nicht ganz so fromm waren. Ich hatte Makepeace an der Angel und wollte ihn ein wenig zappeln lassen. Drei Tage lang genoss ich mit großem Vergnügen all die kleinen Gefälligkeiten, die er mir erwies. Plötzlich war er ohne Aufforderung dazu bereit, Holz klein zu hacken, oder er tauchte neben mir am Brunnen auf und bot mir an, den Wassereimer zu tragen.
Jeden Abend nahm ich den Homer, den mein Vater mir hinterlassen hatte, und zündete genüsslich eine Kerze an, um darin zu lesen. Am ersten Abend schaute mich Makepeace ob dieser Verschwendung schief an, zwang sich jedoch zur Beherrschung und ging mit nichts als einem höflichen Gute Nacht zu Bett.
Am dritten Tag fragte ich Makepeace, ob er ein paar Stunden auf mich verzichten könne, und obwohl ihm deutlich anzumerken war, dass er zu gern gewusst hätte, was ich
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