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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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Zusammenhang mit der Vorstellung, einst als Ehefrau aus Gründen der Wohltätigkeit ein armes junges Wesen, das dringend ein Dach über dem Kopf und ein Auskommen brauchte, in dieser Form bei uns in Dienst zu nehmen.
    Großvater, dem die Peinlichkeit der Situation durchaus bewusst war, ging mit großen Schritten in seinem Zimmer auf und ab, während ich mir die beiden Kopien des Vertrages durchlas. Es war ihm deutlich anzumerken, wie sehr es ihn wurmte, als ich darauf bestand, das Dokument zu prüfen, das er doch einfach nur unterzeichnen und mit seinem Siegel versehen wollte. Doch ob es ihm nun gefiel oder nicht, er reichte es mir. Es bestand nur aus wenigen Sätzen, doch da es eine so einschneidende Wirkung auf meine Zukunft haben würde, las ich es mir in aller Ruhe durch.
    Mit diesem Indenturvertrag vom fünfundzwanzigsten August des Jahres eintausendsechshundertundsechzig zwischen Elijah Corlett aus Cambridge und Thomas Mayfield aus Great Harbor wird festgelegt, dass besagter Thomas Mayfield sein Mündel und Enkelkind, die minderjährige Bethia Mayfield, kraft Gesetz dazu verpflichtet, jegliche gesetzlich zulässige Arbeit für besagten Elijah Corlett zu verrichten und bei ihm zu wohnen, und zwar bis zum fünfundzwanzigsten August des Jahres eintausendsechshundertundvierundsechzig. Während dieses Zeitraums verpflichtet sich Elijah Corlett dazu, nach Kräften für die Verpflegung und Unterkunft besagter Bethia Mayfield zu sorgen und alles Nötige zu ihrer Gesunderhaltung zu tun. Ferner verpflichtet er sich, ihrem Bruder Makepeace Mayfield ein volles Stipendium nebst Kost und Logis an der Lateinschule von Cambridge zu gewähren und ihn so weit in Literatur zu unterrichten, wie es in seiner Macht steht.
    Die Schriftstücke trugen bereits Corletts Unterschrift und Siegel und waren durch eine gezahnte Schnittlinie voneinander getrennt, sodass die Kanten der beiden Versionen exakt aufeinander passten. Als ich beides gelesen und miteinander abgeglichen hatte, reichte ich die Schriftstücke Großvater und beobachtete ihn dabei, wie er seine Feder eintauchte und seine wie immer schwungvolle Unterschrift daruntersetzte.
    »So, das wäre erledigt«, sagte er. »Ich schicke jetzt die eine Hälfte an Master Corlett und bewahre die andere sicher hier auf, auch wenn ich nicht den geringsten Zweifel daran habe, dass er sich bis in die letzte Einzelheit an den Vertrag halten wird. Es ist nur zur Sicherheit …«
    Ich sah ihm dabei zu, wie er das Schriftstück in die Schatulle legte, in der er auch Vermächtnisse, Urkunden und Schuldscheine aufbewahrte. Dann schloss er das Kästchen mit einem kleinen Schlüssel ab, den er in seiner Uhrtasche trug. Ich dachte, wie froh ich sein würde, wenn ich an jenem Tag in genau vier Jahren dieses Papier herausholen, es in lauter kleine Stücke zerreißen und dann ins Feuer werfen konnte.
    Von Great Harbor nach Cambridge ist es im Grunde nur ein Katzensprung. Doch leider sind wir keine Katzen, und sehr weit springen können wir auch nicht. Uns blieb die Wahl zwischen einer kürzeren Bootsfahrt über das Meer zum nächstgelegenen Punkt auf dem Festland, der etwa sieben Meilen entfernt war, und anschließend einem langen und beschwerlichen Weg über Land auf schmalen Indianerpfaden und durch die Wildnis; oder einer längeren Überfahrt nach Norden, die Umrundung des Kaps und dann weiter bis nach Boston, was bei gutem Wetter einen Tag und eine Nacht dauern würde. Von dort aus musste man dann ein Binnenschiff flussaufwärts bis zur Anlegestelle von Cambridge nehmen, was bei günstigem Wind und Flut etwa eine Stunde beanspruchte, bei Ostwind jedoch fast unmöglich war. Da wir Bücher und Kleidung mitnehmen mussten, entschieden wir uns für den längeren Seeweg – trotz böser Vorahnungen.
    Es gab noch viel zu tun. Ich musste dem Nachbarjungen, der gut mit Schafen umgehen konnte, die Pflege meiner Auen anvertrauen und ihm zeigen, wie er die neugeborenen Lämmer zu kennzeichnen hatte. Speckle gab ich in die Obhut des Kammerdieners meines Großvaters und versäumte es nicht, ihr vor meiner Abreise lange die Nase zu streicheln und ihr zu sagen, sie solle sich nicht zu sehr verwöhnen lassen, wenn wir nicht da waren. An dem Tag, bevor wir in See stachen, dachte ich mir einen Vorwand aus, um das Haus von Iacoomis aufzusuchen. Ich erklärte Makepeace, ich hielte es für eine gute Sache, der Familie den Rest unserer ungesponnenen Wolle zu überlassen, da ich diese nicht mit nach Cambridge nehmen wolle.

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