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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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und noch unangenehmere Dünste mischten, wie sie eine große Ansammlung von Menschen verströmt, die gezwungen sind, auf engstem Raum zu leben. Als wir schließlich vollkommen erschöpft vor Master Corletts Tür standen, war es bereits spät. Obwohl die Wege rund um das College mit großen Schalen voller Binsenlichter erleuchtet waren, hatte ich von der Stadt nicht viel gesehen, und es war der Laternenanzünder selbst gewesen, der uns den Weg zu Master Corletts Schule gezeigt hatte. Der Schulmeister begrüßte uns höflich, rief rasch ein paar verschlafene Schüler, die uns beim Abladen unserer Kisten behilflich sein sollten, wechselte ein paar Worte mit Makepeace und schickte ihn dann zusammen mit Caleb und Joel zu ihren Plätzen im Gemeinschaftsschlafsaal unterm Dach. Während ihre Stiefel laut die schmale Treppe hinaufpolterten, bat er mich in sein eigenes Gemach.
    »Du hast das Dokument dabei, wie ich vermute.«
    Ich reichte ihm seine Kopie des Indenturvertrages über den Schreibtisch.
    Ohne mehr als einen kurzen Blick auf Großvaters Unterschrift zu werfen, schob er die Urkunde von sich, als wäre sie ihm ebenso widerwärtig wie mir. Schließlich musterte er mich mit einem Paar wässrig blauer Augen. »Äußerst liebenswürdig von dir, dass du hierhergekommen bist. Ich denke, du wirst deine Pflichten hier als nicht allzu beschwerlich empfinden, und falls doch, dann komm sogleich zu mir, damit wir schauen können, was zu tun ist, um Abhilfe zu schaffen. Ich habe deinem Großvater gesagt, ich bräuchte eine Hausdame, und als solche wirst du auch behandelt werden, soweit es unsere bescheidenen Mittel hier erlauben. Ich werde nichts von dir verlangen, was mein liebes Eheweib, Gott hab sie selig, nicht aus freien Stücken ebenso getan hat, um die Jungen hier bei Gesundheit und frohen Mutes zu halten. Doch da sitze ich, rede von meinen guten Absichten und hab dir nicht einmal einen Stuhl angeboten. Bitte, setz dich doch.« Ich schaute mich ratlos in dem spärlich möblierten, kleinen Gemach um, das abgesehen von einem handgearbeiteten Schreibtisch, einem Bücherregal, einem einzelnen, hochlehnigen Stuhl und einem schmalen Bett nichts zu enthalten schien, entdeckte schließlich jedoch einen Hocker mit einem Sitz aus Binsengeflecht, der unter das Bett geschoben war, und zog ihn heraus. Ich war froh, sitzen zu können, auch wenn es sich nur um ein so niedriges und wackeliges Sitzmöbel handelte.
    »Weißt du, ich hatte das Vergnügen, deinen Vater kennenzulernen, als er noch ein junger Spund in Watertown war. Dein Großvater wurde mir hingegen nie vorgestellt, auch wenn ich ihn einmal bei einer Gemeindeversammlung sah. Interessantes Vorhaben, das mit seiner Insel. Wir alle hielten es damals für ein kühnes und halsbrecherisches Unterfangen. Doch es heißt, die Siedlung blühe und gedeihe. Ach, und dein armer verstorbener Vater … Man sagt, er habe solche Wunder gewirkt, indem er den Heiden das Evangelium brachte. Unser Herr hat ihn ganz gewiss weit vor seiner Zeit zu sich gerufen. Er war immer ein ausgezeichneter Schüler und gottesfürchtig noch dazu, wie sein Lehrer sagte, auch als er noch ganz jung war. Für mich ist es eine Ehre, seinen Sohn, deinen Bruder, zu unterrichten, wie ich ihm gerade eben selbst gesagt habe. Und wie ungewöhnlich günstig ist auch der Umstand, dass dir der Umgang mit den jungen Indianern so leichtfällt – bei uns haben sich noch zwei weitere eingeschrieben, jünger als die beiden Burschen von der Insel, die mit dir herübergekommen sind. Außerdem besteht Aussicht auf mindestens eine weitere Person, vom Stamme der Nipmuc … Ein überaus interessanter Fall, allerdings nicht ohne eine gewisse Herausforderung … Vielleicht werde ich dir zu anderer Zeit darüber erzählen. Ich schätze, dein Großvater hat dich über die zahlreichen Schwierigkeiten in Kenntnis gesetzt, denen ich hier gegenüberstehe. Die Frauen von Cambridge, die nichts mit Rothäuten zu tun haben wollen. Wie es scheint, nicht einmal, wenn es noch Kinder sind …« Hier gab er ein kleines, keuchendes Lachen von sich. »Jedenfalls ging eine von ihnen mit einer Gerte umher und wann immer einer der armen Teufel ihr zu nahe kam, zog sie ihm damit eins über … Und eine andere wurde dermaßen nervös, wenn sie im selben Raum mit ihnen sein musste, dass sie kaum ihre Arbeit verrichten konnte.«
    Ich war so müde, dass ich auf meinem Hocker ins Wanken geriet. Ich sehnte mich nach meinem Bett, und allmählich begann ich mich zu

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