Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
fragen, wann er endlich auf den Gedanken kommen würde, mir zu zeigen, wo es sich befand. Ich beneidete Makepeace und die anderen, die schon längst ihr Haupt zur Ruhe gebettet hatten. Doch Master Corlett schien sich weder der vorgerückten Stunde noch meines erschöpften Zustandes bewusst zu sein. Er kam nun auf Master Eliot und seine großen Hoffnungen zu sprechen, die er in die Bildungsmaßnahmen in den Kolonien setzte, ebenso wie in den Erhalt des geistlichen Standes sowie anderer Berufe, die über das hinausgingen, was die hiesigen Gelehrten an Talent aus den englischen Colleges mitgebracht hatten. »Ja, er hat sich schon immer sehr dafür eingesetzt. Einmal hörte ich ihn predigen: ›Herr, gib uns Schulen allerorten und für jeden von uns! Wir wären so glücklich, bevor wir sterben in jeder Siedlung dieses Landes eine gute Schule errichtet zu sehen.‹ Und das haben wir mittlerweile auch, an allen Orten, an denen mehr als hundert Familien leben. Seine Heimatstadt Roxbury kann sich gar einer berühmten Lehranstalt brüsten, aus der mehr Schüler am College untergekommen sind als aus jeder anderen Stadt dieser Größe, ja sogar der doppelten Größe … Doch wir hier sind ihr dicht auf den Fersen, ja, das sind wir. An Materiellem mag es allerorten noch fehlen – du wirst noch sehen, dass wir im Grunde von der Hand in den Mund leben –, aber in Wissensdingen ist unser Reichtum gewaltig …«
Ich spürte, wie mir die Augen zufielen, und bemühte mich, sie offen zu halten, wie es die guten Sitten eben verlangten. Doch mein Körper widersetzte sich meinem Willen. Einen Moment lang war ich wohl wirklich eingeschlafen, denn der Kopf sank mir auf die Brust, und ich schreckte urplötzlich mit einem Ruck hoch.
»… und bin mir sicher, du wirst feststellen, dass die Jungen sich des Glückes bewusst sind, das sie hierhergebracht hat …« So redete Master Corlett weiter und weiter, ohne sich von meinem unterdrückten Gähnen stören zu lassen. Es mochte schon sein, dass sich die Jungen ihres Glückes bewusst waren, doch ich war mittlerweile kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, und merkte, dass ich ihm das sagen musste, wenn ich nicht gleich vom Hocker fallen wollte. Ich stand also auf.
»Tut mir leid, Master Corlett. Morgen würde ich liebend gerne noch mehr über die Schule hören. Doch ich habe eine sehr anstrengende Reise und einen sehr langen Tag hinter mir, und wäre sehr dankbar, wenn ich jetzt …«
»Natürlich, natürlich. Du musst mir verzeihen.« Er stand auf, trat hinter dem Schreibtisch hervor und bot mir den Arm. »Ich bin einfach abends viel zu viel allein, das ist das Problem. Früher bin ich oft noch lange aufgeblieben und habe mit meinem Sohn Samuel geplaudert, als er noch … Wie gedankenlos von mir. Mein Sohn kommt immer noch gelegentlich … aber im Allgemeinen ruft ihn auch am Abend oft noch die Pflicht … am College, weißt du … Ich fürchte, du wirst deine Unterbringung eher als spartanisch empfinden. Leider kann ich dir kein eigenes Zimmer anbieten. Es gibt nur dieses Zimmer hier, dann das Klassenzimmer, das zugleich auch als Speisesaal dient, sowie den Schlafraum, der auf dem Dachboden liegt … Dort wohnen jetzt acht Jungen. Dein Bruder ist der Einzige, der keinen Bettgenossen hat, die anderen teilen sich alle eine Matratze. Weitere sechs Jungen kommen als Tagesschüler, weil ihre Familien hier im Ort leben. Ihnen reichst du eine Vesper, doch zu Tisch sitzen sie nicht mit uns, weil sie zum Abendessen nach Hause zu ihren Familien gehen. Jedenfalls hast du, wie gesagt, kein eigenes Zimmer, sondern lediglich eine Pritsche in der Küche … dort hast du deine Ruhe vor den Jungen, das Herdfeuer hält dich warm, es ist überhaupt der wärmste Ort im Haus, wenn es draußen unwirtlich ist. Im Allgemeinen heizen wir nämlich in keinem anderen Raum, es sei denn, die Eltern eines Jungen sorgen für zusätzliches Holz …« Er führte mich durch einen kurzen Flur, und dann traten wir in die dunkle Küche. Es roch nach altem Bratfett, nach feuchten Lumpen und den Hinterlassenschaften von Mäusen. Ein Feldbett mit einer dünnen, strohgefüllten Zudecke stand an der Wand. Die Hälfte dieses Lagers reichte unter einen abgewetzten kleinen Tisch, der voller schmieriger Flecken war und ausgesprochen unappetitlich aussah. Ihn weiß und sauber zu schrubben, würde am Morgen meine erste Aufgabe sein. Master Corlett stellte die Kerze ab und nahm einen Kienspan, um auf dem Weg zurück in sein Gemach
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