Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
Antlitz zu und musterte mich aufmerksam. »Ich schätze, Ihr findet die beschränkten Lebensumstände hier schwer zu ertragen?«
»Zugegebenermaßen ja. Es ist in vielerlei Hinsicht schwierig. Wie für Euch auch, denke ich.«
»Nun, ja, auch wenn ich das nicht gerne zugebe. Darf ich offen sein, Mistress Mayfield?«
Beeindruckt von der Höflichkeit, die er mir jetzt entgegenbrachte, nickte ich.
»Um ehrlich zu sein, bin ich nicht sehr angetan davon, dass man mich zwingt, hier mit Wilden unter einem Dach zu leben, so wie diesen, die Euch ja, wie ich gehört habe, bereits bekannt sind. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Ihr und Euer Bruder es ertragen konntet, mit ihnen auf so engem Raum zusammenzuleben. Gewiss stellt es Eure Geduld auf eine harte Probe, wie meine eigene auch. Ich wäre froh um jeden Ratschlag, wie ich es besser bewerkstelligen könnte, es zu ertragen.« Ich gab ihm darauf keine andere Antwort als einen undurchdringlichen Blick. Er schaute mich nur kurz an und fuhr dann mit dem Schrubben fort. »Als der erste von ihnen kam, habe ich meinem Stiefvater geschrieben und ihn darum gebeten, in der Stadt untergebracht zu werden. Er schrieb mir zurück und sagte, seine Geldbörse erlaube es nicht, mich außerhalb der Schule wohnen zu lassen. Ich sehe nicht ein, warum man nicht sie außerhalb unterbringt, da doch offenbar die Mittel für ihre Ausbildung unerschöpflich sind. Ich vermute, Ihr wisst, dass dieses Geld ausschließlich aus England kommt, wo man die Bekehrung der Wilden als dringendes Anliegen sehr unterstützt. Ich habe gehört, das neue Gebäude, dieses Indian College, wie sie es nennen, drüben im Harvard-Yard, habe mehr als vierhundert englische Pfund gekostet. Könnt Ihr eine solche Summe gutheißen? Und das für Heiden, für Wilde? Während Schüler englischer Herkunft sich in einer undichten, zugigen Ruine drängen müssen. Natürlich hat Präsident Chauncy, kaum war es erbaut, schlauerweise sogleich seinen eigentlichen Nutzen erkannt. Er hat die Räumlichkeiten mit englischen Studenten gefüllt, die vorher so beengt untergebracht gewesen waren. Ein raffinierter Schachzug, findet Ihr nicht? Auf diese Weise gleich zu einem so schönen Gebäude zu kommen …«
Ich fragte mich, ob er die Wahrheit sagte. Mich dünkte es eine Ungerechtigkeit all den frommen Menschen gegenüber, dass ihr Geld für Dinge ausgegeben wurde, die ihnen widerstrebten. Vielleicht war es jedoch nur weise Voraussicht Master Chauncys gewesen, das Gebäude zu nutzen, während man auf die Immatrikulation der eigentlich dafür vorgesehenen Studenten wartete, die ihren vorbereitenden Unterricht allesamt entweder hier oder bei Master Weld in seiner Schule in Roxbury erhielten.
Doch für den jungen Dudley war das Thema noch nicht beendet. »Mein Stiefvater schrieb mir, ich müsse Geduld haben und mich mit dem Gedanken trösten, dass ich nicht lange von den Wilden inkommodiert würde, da diese die Härten einer christlichen Erziehung von Natur aus nicht lange ertragen würden.« Hier hielt er mit dem Sandstreuen inne, stützte sich auf die Tischplatte und überlegte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich in letzterem Punkte mit ihm übereinstimmen würde. Zumindest die hier scheinen ungewöhnlich gut dafür geeignet zu sein. Ein oder zwei von den Neuankömmlingen sind sogar … Aber das sind ja auch diejenigen, die von Eurem verstorbenen Vater unterrichtet wurden, richtig?«
Ich neigte zustimmend den Kopf.
»Ich schätze, sie waren bereits einige Zeit bei Euch und wurden bereits in zartem Alter der Wildnis entrissen?«
Schon eine ganze Weile spürte ich, dass Zorn in mir aufstieg wie eine heiße Welle. Ich schloss die Faust fest um meinen Lappen, um mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr meine Hand zitterte. »Keineswegs«, erwiderte ich, so gleichmütig wie nur möglich. »Insbesondere einer von ihnen hat die Unterweisung meines Vaters nur sehr kurz genossen, bevor Gott beschloss …« Mehr wollte ich nicht mehr sagen. »Ich danke Euch«, sagte ich und nahm ihm seinen Lappen ab. »Doch ich glaube, Master Corlett würde es vorziehen, wenn Ihr Euch wieder mit Euren Büchern beschäftigt.«
Dudleys Worte quälten mich den ganzen Tag wie raue, kratzende Leibwäsche. Ich kam zu dem Schluss, um meines Seelenfriedens willen in Zukunft von so vertraulichen Gesprächen abzusehen. Ich würde mich einfach um die praktischen Bedürfnisse der Jungen kümmern und ihre moralische Unterweisung Corlett überlassen. Und so vergingen meine Tage
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