Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
im ewigen Einerlei meiner Pflichten und Mühen. Wenn der Tag des Herrn kam, lag ich des Morgens auf meiner Pritsche und versuchte vergebens, mich an etwas Bemerkenswertes zu erinnern, das vorgefallen war, um die vergangene Woche von der unterscheiden zu können, die davor ins Land gegangen war. Dann schleppte ich mich widerwillig zur Gemeindeversammlung und zu Predigten, die in ihrer Beschränktheit so gar nicht auf das breite Fundament zu passen schienen, das mein Vater einst gelegt hatte, und für mich nur schwerlich durchzustehen waren. Irgendwann während jener mühseligen Wochen, in denen das Wetter unwirtlicher wurde, kam auch der Tag, an dem ich siebzehn Jahre alt wurde, doch er verging wieder, ohne dass jemand – mich eingeschlossen – davon Notiz genommen hätte.
Und dann sprach eines kühlen Abends Master Corlett zum ersten Mal mit mir über Anne. Er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, mich am Ende des Tages zu einer Unterredung in sein Gemach zu bitten. Dann erkundigte er sich beiläufig nach den Angelegenheiten des Haushalts, wobei er sich immer für die zahlreichen Mängel entschuldigte, mit denen wir uns herumschlagen mussten, und mir gratulierte, wenn ich erfindungsreich dazu beigetragen hatte, mit weniger auszukommen als nötig. Dann wandte er sich oft schulischen Angelegenheiten zu, berichtete vom Charakter eines jeden Jungen und wie er sich im Unterricht machte. Obwohl er, was Makepeace anging, immer sehr höflich war, wusste ich sehr wohl, dass er insgeheim über dessen mangelnde Fortschritte im Studium besorgt war. Was Caleb und Joel anging, war er voll des Lobes, doch sprach er immer von ihnen mit leicht gehobener Augenbraue, als hege er selbst Zweifel an seinem Urteil über die Fortschritte, die sie machten. Oft erging er sich dann, wie schon am allerersten Abend, in Erinnerungen an früher, oder er begann, seine Ansichten über die Bildung und deren unabdingbare Bedeutung für den Erfolg der Kolonien zu erörtern. Meist schienen seine Gedanken den Worten weit vorauszugaloppieren, und wenn ich sehr müde war, fand ich es manchmal äußerst mühsam, die Satzfetzen, die ich mitbekam, zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzusetzen. Und so bedeuteten diese Unterredungen, so interessant sie auch waren, oft Mühsal für mich, und ich sehnte mich schon lange bevor er mir endlich gestattete zu Bett zu gehen danach, es endlich aufzusuchen.
In jener Nacht schien er besonders aufgewühlt. »Ich glaube, ich habe dir gegenüber bereits erwähnt, dass wir die Ankunft eines Schülers vom Stamme der Nipmuc erwarten, oder?« Ich erinnerte mich vage daran, dass er etwas Derartiges einmal erwähnt hatte. »Und ich habe wohl auch hinzugefügt, dass es sich um einen außergewöhnlichen Fall handelt. Das ist er auch, überaus ungewöhnlich. Und ich muss zugeben, dass ich etwas ratlos bin, wie ich … jedenfalls eine seltsame Anfrage … aber da sie aus einer solchen Quelle kommt …«
Ich saß dort, betrachtete die neue Blase an meiner Hand und war in Gedanken ganz woanders, als er plötzlich etwas sagte, das meine ganze Aufmerksamkeit weckte.
»… ein Indianermädchen namens Anne. Der Gouverneur, der, allgemein gesprochen, den Eingeborenen nicht gerade herzlich zugeneigt ist, wie du sicher weißt – schließlich war er es, der unsere Armee bei jenem bedauernswerten Krieg gegen die Pequot anführte –, hat einen Narren an dem Mädchen gefressen, das bereits zuvor das ABC beherrschte. Er nahm die Kleine vor ein paar Monaten in seinem Haushalt auf und schickte sie zum Hausunterricht bei einer Dame in der Nachbarschaft seiner Residenz in Boston, wo sie, wie es scheint, bereits im zarten Alter von zwölf Jahren so große Fortschritte machte, dass ihre Lehrerin ihr nichts mehr beibringen konnte. Der Gouverneur sagt, sie sei eine echte Kuriosität, und hat es sich in den Kopf gesetzt, dass ich sie ein Jahr bei mir aufnehme, um zu sehen, wozu sie noch alles in der Lage ist. Anschließend will er sie als eine Art Gouvernante oder dergleichen wieder in seinem Haushalt aufnehmen und ihre Fähigkeiten den diversen Gästen vorführen, um unseren englischen Wohltätern noch mehr Geld abzuknöpfen. Sie bringt bereits ein großzügiges Stipendium aus dem Fundus der Gesellschaft mit, doch selbst wenn dies nicht der Fall wäre – wie könnte ich einem Gouverneur eine solche Bitte abschlagen? Dennoch habe ich Sorge, ernste Sorge, wie wir dieses Mädchen hier unterbringen sollen …« Er beugte sich vor. »Ich habe noch nie
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