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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hilderbrand
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diesen Raum genau so, wie Wolf Flute es geplant hatte.
    Meredith bewegte sich auf die Haustür zu. Aber nein, die Haustür war zu beängstigend. Meredith befürchtete das Schlimmste, und das Schlimmste war eine Bombe. Irgendetwas war vorn auf die Veranda gekracht oder geworfen worden, so viel war sicher. Sonderzustellung für Meredith Delinn.
    Ruf die Polizei an! Auf Nantucket gab es wenig bis gar keine Kriminalität (jedenfalls bis vor ihrer Ankunft); die Beamten würden es begrüßen, wenn sie an diesem Donnerstagmorgen etwas zu tun bekamen.
    Haben Sie sich umgesehen?
    Die Haustür war zu beängstigend. Wenn sie sie aufmachte, würde die Bombe detonieren. Sie würde einer feurigen Explosion ausgesetzt sein oder einem tödlichen Beschuss mit Nägeln oder radioakiven Strahlen.
    Meredith spähte aus dem Wohnzimmerfenster, von wo aus sie schräg ein Stück von der vorderen Veranda sehen konnte. Und tatsächlich, da war eine dunkle Schleifspur. Oh Gott! Jetzt zitterte sie wirklich, sie trat auf die Tür zu; sie würde sie nur einen winzigen Spalt weit öffnen, nur weit genug, um ihren furchtbaren Verdacht zu bestätigen.
    Die Tür war dreifach verriegelt, und sie musste die Alarmanlage deaktivieren, bevor sie sie aufschließen konnte. Dazu benötigte sie den Code, das Datum von Ashlyns Geburtstag, das Meredith seit nahezu dreißig Jahren kannte, an das sie sich aber in ihrem gegenwärtigen Zustand nur mit Mühe erinnerte. Sie schaltete die Alarmanlage aus; das Haus war unverschlossen. Sie stellte sich hinter die Tür, zog sie auf, so dass ein schmatzendes Geräusch ertönte, und warf aus fast geschlossenen Augen einen Blick hinaus, aber sie sah, was sie sehen musste: Flossen, Barthaare, ein grausiges breites rotes Lächeln.
    Harold lag mit durchgeschnittener Kehle auf der vorderen Veranda.
    Meredith knallte die Tür zu und schloss sie ab. Sie hyperventilierte. Keine Bombe, doch in mancher Hinsicht schlimmer. Mit ihrem Handy rief sie bei der Polizei an, nannte ihre Adresse und sagte: »Ich habe vor meiner Haustür ein totes Tier gefunden.«
    »Vor Ihrer Haustür?«, fragte die Beamtin nach.
    »Einen Seehund«, ergänzte Meredith.
    »Einen toten Seehund? Wirklich? Vor ihrer Haustür?«
    »Können Sie bitte jemanden schicken?«, bat Meredith. Und dann fügte sie hinzu: »Hier spricht Meredith Delinn.« Sie war sich nicht sicher, ob die Polizistin ihren Namen kannte, aber natürlich, jeder in Amerika kannte ihren Namen.
    »Ja, Mrs Delinn«, sagte die Disponentin. »Es kommt gleich ein Wagen.«
    Meredith ließ sich zu Boden gleiten und begriff, dass ihr Fehler nicht darin bestanden hatte, Freddy zu drohen, dass sie ihn verlassen würde. Ihr Fehler war gewesen, es nicht zu tun.

TEIL ZWEI

Connie
    Connie fuhr zum städtischen Anleger in dem Bewusstsein, noch eine einzige friedliche Viertelstunde zu haben, bis ihr die Sommeridylle um die Ohren flog. Als sie Dan erzählt hatte, was sie getan – oder, genauer, nicht getan – hatte, hatte er entgegnet: Mach dir keine Sorgen. Nach dem, was wir schon durchgestanden haben, kann das doch nicht so schlimm sein, oder? Aber vielleicht hatte er es nur gesagt, um sie zu besänftigen.
    Städtischer Anleger, elf Uhr morgens an einem fantastischen Sommertag. Der Steg wimmelte von Familien mit Kühltaschen und Angelruten und Muschelrechen, die auf Motorboote stiegen, um nach Coatue und Great Point zu tuckern. Connie staunte darüber, wie entspannt und fröhlich diese Menschen wirkten. Sie selbst war krank vor Angst. Krank! Sie war ihrem Instinkt gefolgt und musste jetzt auf das Beste hoffen.
    Elf Uhr, hatte er gesagt. Aber sie sah ihn nirgendwo. Typisch. Das waren Veronicas Gene: Zu spät zu meiner eigenen Beerdigung.
    Connie lief hin und her, warf einen Blick auf dieses und auf jenes Boot, schaute hin, ohne zu sehen, mit hämmerndem Herzen und einem Magen, der sich anfühlte, als hätte sie zum Frühstück ein Dutzend Zitronen gegessen. Dann sah sie ihn, die breiten Schultern, den o-beinigen Gang. Unverkennbar. Die Sonne malte einen Heiligenschein um seinen Kopf.
    Toby!
    Er trug ein grünes Polohemd, Khakishorts, Leinenschuhe ohne Socken ( besaß Toby überhaupt Socken?) und eine Pilotensonnenbrille. Er war braun gebrannt. (Toby und Connie ähnelten sich in mancher Hinsicht, doch sie bekam Sommersprossen, während er immer schon ein bronzener Gott gewesen war.) Er hatte nach wie vor einen üppigen Schopf aschblonder Haare, und sein Gewicht erschien Connie solide. Sie kannte ihn sowohl

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