Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hilderbrand
Vom Netzwerk:
der Polizei würde beschreiben müssen. Doch Meredith befürchtete, gesehen zu werden.
    Der Flur, befand sie, war sicheres Terrain. Er hatte keine Fenster, und der Teppich war samtweich. Meredith legte sich darauf. Sie hätte gern ein Kopfkissen gehabt, hatte aber zu viel Angst, um sich in ihr oder Connies Zimmer zu wagen, um eins zu holen. Sie waren hinter ihr her. Und geschah es ihr nicht auch recht? Drei Tage bevor der Investmentfonds von Delinn Enterprises als Schneeballsystem entlarvt worden war, hatte Meredith fünfzehn Millionen Dollar vom Schmiergeldkonto der Firma auf ihr gemeinsames Privatkonto überwiesen. Meredith hatte in ihrer Aussage erklärt, Freddy habe sie darum gebeten, deshalb habe sie es getan. Sie hatte sich nichts dabei gedacht – bis zum Nachmittag, als sie, eben zurück von der Bank, Freddy den 1926er Macallan trinken sah. In dem Moment wusste sie, dass die fünfzehn Millionen nicht für ein Haus in Aspen gedacht waren (Carver hatte Freddy gedrängt, weil er so gern Snowboard fuhr) oder für einen Roy Lichtenstein (den Samantha ins Auge gefasst hatte), wie Meredith angenommen hatte. Die fünfzehn Millionen waren ein Schutzwall gegen die Flut. Doch bis Meredith das dämmerte, war das Geld bereits weiterüberwiesen worden. Meredith hatte auf Freddys Geheiß gehandelt; er hatte sie zur unwissenden Mittäterin gemacht. Und jetzt forderten die Investoren ihren Kopf. Und jetzt würde sie womöglich ins Gefängnis kommen.
    Merediths ursprüngliches Verbrechen war es jedoch gewesen, dass sie Freddy gedroht hatte, ihn zu verlassen und ihm seine Kinder zu nehmen. Damit hatte sie ihn in seiner Männlichkeit angegriffen; sie hatte ihm klargemacht, dass das Leben, das er ihr bot, sie nicht befriedigte. Sie hatte keine Lust zu arbeiten, sondern wollte zu Hause bleiben. Sie wollte ihre Kinder nicht in die Kita bringen, sondern von einer Nanny betreuen lassen. Sie wollte nicht mit der U-Bahn fahren, sondern mit dem Taxi. Das alles hatte sie zwar nicht gesagt, aber es war das, was Freddy hörte – und er hatte nach einer Möglichkeit gesucht, ihr diese Wünsche zu erfüllen.
    Wieder ertönte ein Geräusch, lauter diesmal, von der Vorderseite des Hauses. Ein Plumps, so hätte Meredith es beschrieben; es klang, als hätte jemand ein großes Paket vor die Tür fallen lassen. Oder war es Connie? Meredith wartete. Es war still, ein, zwei Minuten lang.
    Meredith spürte, wie die Schlaftabletten ihren Feenstaub auf ihr ergrauendes Haupt streuten. Ihre Augen fielen zu. Der Teppich war samtweich.
    Als Meredith aufwachte, wurde es schon langsam hell. Vom Schlafen auf dem Fußboden tat ihr der ganze Körper weh, aber sie nahm das erste rosa Licht des Tages mit Erleichterung zur Kenntnis. Sie hatte es bis zum Morgen geschafft.
    Es machte ihr nichts aus, sich im Haus zu bewegen. Die Schrecken der Nacht waren verblasst, obwohl in irgendeinem Winkel ihres Bewusstseins noch Reste von Angst lauerten, von Sorge, von Beklommenheit. Sie hatte überlebt, doch außer Gefahr war sie nicht. Irgendetwas war letzte Nacht passiert, da war sie sich sicher, wenn auch vielleicht nur in ihrer Fantasie. Nein, es war keine Einbildung gewesen, aber falls doch, wie dankbar würde sie dann sein!
    Sie stieg die Treppe hinunter. Zumindest hatte sie Connies und Dans romantischen Abend nicht gestört.
    Unten war es sauber und unverändert, der große Raum von Licht erfüllt. Zitternd spähte Meredith auf die Terrasse. Alles sah okay aus, oder? Doch da war eine Spur von etwas Dunklem, dessen Anblick ihr nicht gefiel.
    Meredith war erschöpft und hatte einen trockenen Mund. Sie brauchte zuerst Wasser und dann Kaffee. Connie machte ständig Kaffee, und siehe da, als Meredith nachschaute, war die Kaffeemaschine einsatzbereit.
    Wieder fiel ihr die dunkle Spur auf der Terrasse ins Auge. Öl, dachte sie, obwohl sie es besser wusste.
    Ein unangenehmes Gefühl beschlich sie. Sie sollte die Polizei anrufen. Und was sagen? Dass sie Geräusche gehört hatte? Dass auf der Terrasse eine verdächtige Spur war?
    Haben Sie sich umgesehen?, würden die Beamten fragen.
    Und Meredith würde erwidern: Nein, ich hatte zu viel Angst.
    Sie griff nach ihrem Handy und schaltete es ein. Drei SMS waren darauf. Doch als Meredith sie überprüfte, sah sie, dass es die Nachrichten waren, die Dev ihr gestern Abend hinterlassen hatte. Es gab also nichts Neues. Sie holte sich ein Glas Eiswasser, das sie in einem Zug austrank. Die Kaffeemaschine gurgelte; das Sonnenlicht erfüllte

Weitere Kostenlose Bücher