Inselglück
und zu Smith & Wollensky. Für Sport blieb ihm keine Zeit. Sein erstes graues Haar hatte er mit neunundzwanzig. Meredith wollte es ihm auszupfen, doch das ließ er nicht zu. Er wolle älter aussehen, sagte er, würdevoller.
Nach Neujahr zogen sie in eine Vierzimmerwohnung mit Wohnküche. Das Gebäude hatte einen Portier. Sie legten sich ein Auto zu, das in einer Garage untergestellt wurde. Zum ersten Mal mieteten sie im Sommer für zwei Wochen ein Haus in Southampton.
Im September kam auch Carver auf die St. Bernard’s. Meredith versuchte, wieder schwanger zu werden, hatte aber kein Glück. Sie vermutete, dass Freddys Spermien zum Schwimmen zu gestresst waren. Freddy ließ ihr freie Hand, ein Kindermädchen und eine Köchin einzustellen, obwohl sie fast jeden Abend auswärts aßen. Mit beiden Jungen in der Schule und einer philippinischen Nanny hätte Meredith wieder arbeiten können, doch die Gompers wie auch jede andere öffentliche Schule schien plötzlich nicht mehr in Frage zu kommen, und ehe sie sich versah, stand jegliche Berufstätigkeit nicht mehr zur Debatte. Freddy erklärte, die Geschäfte liefen prima, und entführte Meredith – die Kinder blieben bei der Nanny – übers Wochenende nach Palm Beach, wo es ihnen so gut gefiel, dass Freddy sich dort nach Immobilien umschauen wollte. Zum Kauf.
Merediths Leben wurde immer mehr von dem ausgefüllt, was sie täglich beschäftigte: den Jungen und ihren Bedürfnissen, ihren Sportveranstaltungen und schulischen Verpflichtungen. Wieder zog die Familie um – in das Penthouse an der Park Avenue, das sie gekauft hatten, ebenso wie ein Haus in Palm Beach, das früher im Besitz der Pulitzers gewesen war. Freddy hatte es bei einer Versteigerung »fast geschenkt« bekommen. (Bezeichnend für Merediths Distanz zu Freddys finanziellen Machenschaften war, dass sie nie erfuhr, wie viel es gekostet hatte.) Die Frick Collection bat sie, Mitglied des Verwaltungsrats zu werden, und sie gehörte zum Elternbeirat der Schule ihrer Söhne, wo sie andere wichtige, einflussreiche Leute kennen lernte, die anscheinend alle darauf aus waren, sie für weitere Tätigkeiten zu interessieren. Meredith und Freddy wurden ständig eingeladen – zu Empfängen, Galas, Dinnerpartys, Konzerten. Meredith hatte keine Zeit zu arbeiten. Sie war vollauf damit ausgelastet, Mrs Freddy Delinn zu sein.
Meredith wusch ihr Geschirr ab. Im Haus war es jetzt ganz dunkel; sie musste das Licht über der Spüle anmachen, sonst hätte sie riskiert, etwas zu zerbrechen.
Auf der Küchentheke stand ein mit Klarsichtfolie abgedeckter Teller mit etwas, das verdächtig nach einem Vanilletörtchen mit Erdbeerglasur aus der Bäckerei in Sconset aussah. Connie ist ein Engel, dachte Meredith. Oder Connie hatte ihr gegenüber ein schlechteres Gewissen, als Meredith klar gewesen war.
Meredith aß das Törtchen im Stehen und fragte sich, in welchem Moment sie eigentlich erkannt hatte, dass sie richtig reich waren. Vermutlich war es ein unbedeutender Moment gewesen – an einem Nachmittag etwa, an dem sie nach einem Lunch im Le Cirque mit Astrid Cassel oder Mary Rose Garth bei Bergdorf’s vorbeischaute, dort – wer weiß? – eine rosa Chanel-Strickjacke für zweitausend Dollar kaufte und sich keine Quittung dafür geben ließ. Oder es war etwas Spektakuläreres, zum Beispiel ihre erste Paris-Reise mit Freddy seit ihrem Rucksackabenteuer. Er hatte im Hôtel de Crillon eine Suite gebucht. Sie waren ins Taillevent und ins Jules Verne oben im Eiffelturm essen gegangen (auf den Eiffelturm hätte Meredith verzichten können, Freddy aber nicht). Höhepunkt dieser Reise war jedoch nicht das Hotel gewesen (obwohl sie sich dort lachend an die Billigherberge im schäbigen 18. Arrondissement erinnerten, wo sie beim ersten Mal übernachtet hatten) oder einer der Restaurantbesuche (dabei entsannen sie sich ihrer Baguette-mit-Camembert-Imbisse auf dem Fußboden besagter Herberge), sondern die Privatführung durch das Musée d’Orsay, die Freddy arrangiert hatte. Als er sie Meredith ankündigte, dachte sie, das heiße, dass sie ihren eigenen Englisch sprechenden Führer haben würden. Doch es bedeutete, dass sie um halb sieben, dreißig Minuten nach Schließung des Hauses, an einer Seitentür von dem Kurator des Museums mit einem Kellner mit einer Flasche Jahrgangschampagner im Schlepptau empfangen wurden. Dann führte der Kurator Meredith und Freddy höchstpersönlich durch die Räume und wies dabei besonders auf Pissarro hin,
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