Inselglück
gewesen sind.
Meredith hatte geglaubt, die Rechnung würde vielleicht einen Vermerk von Samantha aufweisen, eine Bekundung von Mitgefühl oder Anteilnahme. Aber nein.
»Hat sie gesagt, ob sie sich liebten?«, fragte sie erneut, diesmal nachdrücklicher. »Mrs Deuce. Samantha. Hat sie das gesagt?«
Im Flur ging die Tür von Tobys Zimmer auf, und Toby trat heraus. Er stand da, in Boxershorts und T-Shirt, und sah sie an.
Meredith hielt einen Finger hoch. Sie musste die Antwort hören.
»Sie hat gesagt, sie schreibt ein Buch«, erklärte Rae Riley-Moore.
Meredith legte auf. Sie ging auf Toby zu und er auf sie, und sie trafen sich in der Mitte des Korridors.
»Ich habe eine schlechte Nachricht«, verkündete Toby.
Die schlechte Nachricht war, dass Toby von einem Tumult vor dem Haus aufgewacht war. Übertragungswagen säumten die Straße vor Connies Grundstück.
»Ich vermute, sie sind deinetwegen hier«, sagte Toby.
»Oh mein Gott.« Meredith hätte sich nicht entblößter fühlen können, wenn man sie beim Verlassen der Dusche ertappt hätte. Woher wussten die, wo sie wohnte? Von der Polizeidisponentin vielleicht. Oder sie hatten von der niederträchtigen Person, die sie terrorisierte, einen Tipp bekommen.
»Weißt du, worum es geht?«, fragte Toby.
Meredith spähte aus dem Fenster. »Oh mein Gott«, wiederholte sie. »Ich fasse es nicht. Ich fasse es einfach nicht.«
»Ist irgendwas passiert? Wer war am Telefon?«
»Eine Reporterin von der New York Times «, sagte Meredith.
Toby starrte sie an.
»Freddy hatte sechseinhalb Jahre lang ein Verältnis mit unserer Innenausstatterin Samantha.« Meredith sprach diese Worte aus, doch sie glaubte sie nicht. Ihr war klar, dass sie höchstwahrscheinlich der Wahrheit entsprachen, aber sie glaubte sie nicht.
Toby nahm sie in den Arm. Meredith schloss die Augen. Er roch nach warmem Schlaf. Wenn sie brutal ehrlich mit sich wäre, würde sie zugeben, dass sie sich seit Tagen wünschte, Toby möge sie umarmen. Sie hatte ihn von sich gestoßen, bei jeder Gelegenheit mit ihm gestritten – er war in so vielerlei Hinsicht noch ein Teenager, nie erwachsen geworden – , doch eigentlich sehnte sie sich nach einem kleinen Stück dessen, was sie früher gehabt hatten. Aber jetzt, nach dieser Nachricht, war der einzige Mann, an den sie denken konnte, Freddy. Liebte sie Freddy womöglich noch? Und wenn nicht, warum empfand sie dann solchen Schmerz?
»Der Typ ist ein Scheißkerl, Meredith«, sagte Toby.
Genau, dachte Meredith. Das war die vorhersehbare Antwort. Freddy hatte so viele Menschen betrogen, wieso dann nicht auch Meredith? Er war ein Lügner; warum sollte er Meredith nicht belügen? Schwer zu erklären.
Meredith hatte geglaubt, Freddy bete sie an. Vergöttere sie.
Die Vorstellung, dass sie sich darin – so sehr – getäuscht hatte, erzeugte Schwindel und Übelkeit bei ihr. Sie löste sich von Toby und beugte sich so weit vor, dass ihr Kopf ihre Knie be rührte. Die Position vor einem Hechtsprung. Okay, jetzt breche ich zusammen, dachte sie, kollabiere. Ich sinke zu Boden und … weine.
Aber nein, das würde sie nicht tun. Sie holte tief Luft und richtete sich auf.
»Was machen wir mit den Reportern?«, fragte sie. »Wie schaffen wir es, dass sie abziehen?«
»Sollen wir die Polizei anrufen?«, schlug Toby vor.
»Brechen sie denn ein Gesetz?«
»Wenn sie das Grundstück betreten, ist das ein Übergriff.«
»Sie werden das Grundstück nicht betreten«, vermutete Meredith. »Oder?«
»Rufen wir trotzdem die Polizei an«, sagte Toby. »Oder … du könntest ihnen liefern, was sie haben wollen. Eine Erklärung.«
Sie wollten eine Erklärung. Sie wollten, dass Meredith Freddy schlechtmachte, ihn einen Mistkerl, einen Lügner und Betrüger nannte. Unsicher schaute sie Toby ins Gesicht, obwohl es nicht Tobys Gesicht war, das sie sah, sondern Freddys. Ebenso wie Freddy Meredith gewisse Dinge nicht hatte geben können, würde auch Toby jetzt nicht imstande sein, ihr eine Antwort auf das Warum zu geben.
Warum? Hatte Meredith etwas falsch gemacht? War Samantha in irgendeiner Hinsicht besser als sie? Konnte sie Freddy etwas geben, das Meredith ihm nicht zu geben vermochte? Meredith hatte ihm alles gegeben. Alles.
»Ich rufe jetzt die Polizei an«, sagte Toby. »Und ich muss Connie anrufen. Sie wird wissen wollen, dass hier Barbaren vor der Haustür stehen. Okay?«
Meredith nickte. Toby machte sich auf die Suche nach seinem Handy. Meredith ging in ihr Badezimmer, wo
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