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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hilderbrand
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aber vermutlich nicht. Ich rufe Sie zurück.«
    »Warten Sie!«, bat Meredith. »Ich muss wissen … Haben Sie was von dem Gefängnisdirektor gehört? Kann ich mit Fred sprechen?«
    »Fred?« Dev klang, als sei er sich nicht sicher, wen Meredith meinte. »Ach so! Nein, habe ich noch nicht.«
    »Ich muss wirklich … «
    »Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn es so weit ist«, sagte Dev und legte auf.
    Meredith ließ sich auf einen Stuhl sinken. Sie dachte an Kirby Delarest, seine Frau Janine, seine kleinen blonden Töchter, so perfekt und allerliebst, und an seine mit Gehirnmasse bespritzte Garage. Sie erinnerte sich an Otto, die Figur in Thad Orlos New Yorker Apartment mit den grauen Wollhaaren und der aus Draht gebogenen Brille. Sie erinnerte sich daran, wie gewissenhaft sie die Araukarie gegossen hatte, stets in Sorge, sie würde sich in ihrer Obhut braun verfärben und die Zweige verlieren. Sie hatte Thad Orlo nie kennen gelernt, obwohl sie mit seinen Besitztümern gelebt hatte. Mit seinen Spezialmessern, dem Schaukelstuhl aus hellem Holz. Sie hatte das Gefühl gehabt, ihn zu kennen.
    Um zehn nach sechs klingelte das Telefon.
    Die Abendnachrichten, dachte Meredith. Ganz Amerika sah jetzt die Abendnachrichten.
    Connie checkte das Display. »Anrufer unbekannt«, sagte sie. »Soll ich abnehmen?«
    »Ich gehe ran«, erbot sich Toby. Er war gerade frisch umgekleidet nach unten gekommen. Meredith war nicht imstande gewesen, ihm oder Connie die Geschichte von Thad Orlo/Kirby Delarest zu erzählen, zum Teil deshalb, weil sie so bizarr war, dass Meredith sie selbst kaum glauben konnte, obwohl sie natürlich stimmte. Freddy hatte nicht allein agiert; er hatte Handlanger gehabt, wie Dev sie nannte, Leute, die ihm halfen, ein finanzielles Massengrab zu schaufeln – und es konnte nicht verwundern, dass Meredith einige dieser Leute kannte. Kirby Delarest war Thad Orlo. Alles, was ihr an Kirby Delarest merkwürdig erschienen war, ließ sich jetzt erklären. Meredith hatte recht gehabt mit Thad Orlo und mit dem erfundenen NASA -Stern, und sie fragte sich, welche Enthüllung noch auf sie wartete. Die vier Milliarden auf jenen Konten standen, wie indirekt auch immer, ebenfalls in Verbindung mit ihr. Hatte Freddy das Geld dort für sie gebunkert? Am 17. Oktober – Samanthas Geburtstag – hatte er es abgehoben, aber was bedeutete das? War es Zufall, oder war das Geld für Samantha?
    Meredith hatte Angst weiterzudenken.
    Sie hatte Connie und Toby auch deshalb nichts erzählt, weil sie die giftigen Dämpfe der Geschichte von diesem Haus fernhalten wollte. Dieses Haus war der einzige Ort, der Meredith Schutz bot. Aber sie konnte nicht verhindern, dass das Telefon klingelte.
    » Ich gehe ran«, sagte Connie und nahm ab. »Hallo?«
    Meredith beobachtete ihre Miene und versuchte abzuschätzen, ob Freund oder Feind, doch sie erriet es nicht. Connie wirkte überrascht; ihr Mund formte ein kleines »o«. Ihre Augen traten hervor und füllten sich dann rätselhafterweise mit Tränen. Waren es Tränen der Trauer, des Glücks, der Wut, einer Mischung aus allem? Meredith erkannte es nicht.
    Connie hielt ihr das Telefon hin. »Für dich«, flüsterte sie und zwinkerte. Die Tränen rannen ihr über das hübsche, gebräunte Gesicht. Meredith nahm den Apparat entgegen, und Connie zog sich diskret zurück.
    »Hallo?«, sagte Meredith und dachte: Was kommt da nur auf mich zu?
    »Mom?«
    Oh mein Gott. Fast hätte sie das Telefon fallen lassen. Es war Carver.
    Was hatte er gesagt? Was hatte sie gesagt? Hinterher erinnerte sie sich nur bruchstückhaft an das Gespräch.
    »Ich habe die Nachrichten gesehen.«
    »Wirklich?«
    »Du meine Güte, Mom. Ich fasse es nicht.«
    Über dieses Thema wollte Meredith nicht reden. Sie hatte ihren Sohn am Apparat. Ihren Kleinen, ihr geliebtes Kind.
    »Wie geht es dir? Was machst du? Wie geht es deinem Bruder? Schafft ihr es? Kommt ihr zurecht?« Sie hatte geglaubt, es gebe nichts Größeres in ihr als ihre Verletztheit, aber doch, das hier, ihre Liebe zu ihren Söhnen, war größer.
    Carver dagegen hatte anderes im Sinn. »Er hat dich betrogen, Mom. Siehst du es jetzt? Bitte sag mir, dass du erkennst, was er in Wahrheit ist … ein hohler Mensch, der sich mit Lügen füllt und mit Dingen, die er den Leuten wegnimmt. Das ist dir doch klar, oder?«
    »Das ist mir klar«, sagte sie, obwohl es nicht stimmte. Ihr war gar nichts klar. »Ich muss mit ihm sprechen.«
    »Mit wem?«
    »Mit deinem Vater.«
    »Nein!«, schrie Carver.

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